Urdenbacher Funde


Der tiefschwarze Lydit, manchal auch mineralogisch nicht korrekt Kieselschiefer genannt, ist ein aus den Kieselskeletten mariner Mikroorganismen gebildeter, sehr harter, meist metamorpher Stein. Kohlenstoffhaltige organische Reste sind für die schwarze Farbe verantwortlich. Er wird auch von alters her Probierstein genannt. Mindestens seit Georgius Agricola, der das Verfahren in seinem 7. Buch (De re metallica libri XII, Bergbau und Hüttenwesen, 1556, Faksimile in meiner Bibliothek) beschreibt, haben Goldschmiede nicht punzierten Goldschmuck oder auch Münzen darauf abgerieben und dann die Strichfarbe mit dem Abrieb von geeichten Goldnadeln verschiedener Legierungen verglichen, um so den wahren Goldgehalt eines Stücks zu finden. Mit Scheidewässern, das sind Säuren, die das Gold angreifen, kann man das Ganze noch absichern.
Den winzig kleinen Achat fand meine Freundin Maggie B. bei unserem Gang zum Urdenbacher Rheinufer. Er ist so klein wie ein Fingernagel und erinnert mich in seiner Zeichnung an einen karibischen Fisch. «Das ist der einzige Stein, den ich heute mitnehmen werde.» sagte meine Freundin. Ich nahm allerdings mehrere Steine mit, unter anderem den Lydit und die Urdenbacher Druse (Beitrag von gestern). Meinem Hang zur Pareidolie wird auch der Lydit mehr als gerecht.
Foto des Achats von Margit Bauer

Reiseandenken am Ende des Sommers

Plaid pin of scottish pebbles (Agates), von RW 2009 erworben in einem Antiquitätengeschäft in Edinburgh. Zu Zeiten von Queen Victoria wurde es modern, Schmuck zu tragen, der aus den Gesteinen Schottlands gefertigt wurde. Durch ihre häufigen Besuche auf Schloss Balmoral lernten Victoria und ihr Mann, der naturwissenschaftlich und künstlerisch interessierte Prince Albert, die besondere Art des traditionellen schottischen Schmucks kennen. Abgerollte Achate an Fluss und Meeresufern zu finden, aber auch im Granit der Cairngorm Mountains nach Mineralien zu suchen, wurde populär. Besonders gesucht war der Cairngorm stone, ein natürlich gelber oder rauchiger Quarz. «The Cairngorms are the most extensive area of high mountain terrain in Britain. The area has given its name to gem quality smoky quartz, and has also produced spectacular specimens of beryl and topaz. In Victorian times, hunting for crystals was both a popular pastime and a ‘cottage industry’. Nowadays the area is a National Park and few fine specimens have come to light in recent years.» https://britishmineralogy.com
Einfache Mikromosaik-Brosche aus Glassteinchen, vielleicht aus Murano, von RW vor langer Zeit gefunden auf einem Flohmarkt irgendwo in Italien.

Vierzehntes Bild

Erinnerungsbild aus RWs Lebensabschnitt von 7 bis 14 Jahren
Der Ruß auf den Pflaumenbäumen
Die Rinden der zwei Pflaumenbäume im Garten von Haus Dorgarten, in dem unsere achtköpfige Familie ab den späten 50ern wohnte, waren mit Staub aus der Luft bedeckt, schwärzlichem oder rötlichem Ruß. In der Ferne sahen wir auch manchmal Feuer am Himmel lodern. «Abstich» wurde dann gesagt. Die Hochöfen und Kamine konnten wir von der oberen Terasse am Horizont gegen Westen ausmachen. Ich erinnere mich auch an dramatische Sonnenuntergänge. Wir hatten aber den Eindruck, als wäre die Luft klar und frisch, besonders im Herbst, wenn wir auf die Pflaumenbäume kletterten und die ersten, unreifen Pflaumen aßen. Wir putzten sie mit unseren Jackenärmeln blank und bissen hinein.
Eine lästige Aufgabe war es, das Laub im Herbst zu fegen. Unser Vater gab uns die Ordnung vor. Nicht kreuz und quer, mal hier und mal da, sondern «systematisch» in Reihen und am Ende der Reihen sollten sorgfältig Laubhaufen aufgetürmt werden, die dann zum Schluss aufgenommen wurden und auf den Kompost in der hinteren rechten Ecke des großen Gartens kamen. Der Garten war rings umgeben von Getreide- oder Rübenäckern. Das Haus lag an einer damals noch nicht so stark befahrenen Landstraße zwischen Düsseldorf und Duisburg. Von der Fensterbank des Kinderzimmers aus, auf deren polierter, warmer Oberfläche aus Fossilienkalk wir im Herbst und Winter gerne saßen, zählten wir die vorbeifahrenden Autos, besonders wenn wir auf den Vater warteten, der von der Arbeit oder einer Geschäftsreise kam.

Der Elephant schreitet nach vorn

Das Gedächtnis des Elephanten – weiß ich noch, wo ich in jedem Jahr meines Lebens an meinem Geburtstag war? Das wäre sicher lustig, dies archäologisch auszugraben. Da mein Geburtstag im Sommer ist, werden einige fremde Länder und Orte dabei sein! Und für die künftigen Geburtstage werde ich die schönsten Reisen planen!

Altes Blechspielzeug zum Aufziehen aus dem Nachlass der Tante Lore G.

Der Löwe blickt zurück

Ich habe mir vorgenommen, besondere Erinnerungsbilder aus jedem Jahr meines Lebens aufzuschreiben. Das Erinnerugsvermögen eines Menschen beginnt wohl zuverlässig erst mit dem 4 Lebensjahr. Allein schon aus dieser Zeit, mit 3 1/2 oder 4 Jahren sind mir schemenhafte Bilder aus der ersten Wohnung der Familie bewußt, die auch in keinem der Fotoalben, die meine Eltern für jedes Kind gewissenhaft anlegten, vorkommen und von daher nicht durch diese und die dazu passenden Erzählungen manipuliert worden sind.
Für jedes Jahr Erinnerungsbilder – zu viel – ich reduziere die Anzahl der Jahre auf Abschnitte in Siebenmeilenstiefeln.
1 bis 7
7 bis 14
14 bis 21
21 bis 28
28 bis 35
35 bis 42
usw.
Es heißt, dass sich die Zellen des Menschen alle sieben bis zehn Jahre erneuern. Anthroposophen haben daraus manche Theorie entwickelt, Wissenschaftler konnten vom Skelett sagen, dass es sich in zehn Jahren erneuert, die Fettzellen in acht Jahren… die Leber etwa in einem einem Jahr… Der schwedische Stammzellenbiologe Jonas Frisén hat dazu geforscht.
Die Erinnerungsbilder will ich mit meinen fünf Geschwistern kommunizieren und so einen Gedächtnisort für unsere große Familie finden.
Drei Erinnerungen mit etwa 4 Jahren:
Erstes Bild:
kleinteilig braun-weiß-blau gemusterter, wehender Vorhang am dunkelblauen Nachtfenster
Zweites Bild:
schwarzrote Flecken auf grauem Linoleum, weiße Tücher
Drittes Bild:
Sand in meinen Ohren, meiner Nase, und vor allem im Mund, fremde Kinder, graugelber Spielplatz, grüner Rasen, Teppichstangen


verwitterter Löwenkopf, unten an der Wasserseite des ehemaligen Ständehauses in Düsseldorf,
Fotografie RW, 2018

 

Korrespondenzen XXV


Gestern abend, vor dem Re-Opening des K21 in Düsseldorf, ein Blick auf den Kaiserteich unmittelbar am ehemaligen Ständehaus, in dem sich das Museum befindet.
Eine Stunde später in der Ausstellung der US-amerikanischen Künstlerin Lutz Bacher die Arbeit «Vegas Pants», mit Holzwolle ausgestopfte Billig-Schlafanzughosen und eine Besucherin, die einen Blick auf den Kaiserteich wirft.

Das K21 zeigt „What’s Love Got to Do With It“ von Lutz Bacher bis zum 06.01.2019. Einen Blick in die Ausstellung und das rundumerneuerte Museum zu werfen, lohnt sich auf jeden Fall.

Fotografie

Milliarden von Fotos schwirren durch die Welt. Nicht Milliarden, sondern fast so viele wie die Sandkörner in den Wüsten. Es lohnt sich, ein jedes Sandkorn unter dem Mikroskop anzuschauen. Ist es ein Millionen Jahre altes Quarzkorn, ein Feldspat, ein Korund, ein fossiles Überbleibsel, eine Foraminifere aus einem fernen Urmeer? Lohnt es sich auch, einen Blick auf die Fotografien der Bilderwüste zu werfen? So könnte jeder Mensch jederzeit jedes Bild betrachten. Theoretisch ja. Aber praktisch nicht, es muss eine lebensnotwendige Selektion geben.
Wenn Fotografie durch ihr momenthaftes Lichtwesen vergänglich ist, sind wir gerettet – die Bilder verschwinden wieder, so wie sie aufgetaucht sind. Aber leider ist nur der Augenblick des Fotografierens vergänglich. Das Ergebnis bleibt, zumindest für ein paar Jahrzehnte: Als Abzug oder Lichtbild, digitale Datei. Seit ich digital fotografiere, drucke ich nur wenige Bilder aus. Statt dessen existieren Riesendatenbanken auf dem PC oder in der Cloud. Die Abzüge auf Papier erhalten sich allerdings besser als die Dateien. Ich besitze alte Fotografien der Familie, die zum Teil noch aus dem 19. Jahrhundert sind.

Instagram, eine Plattform für Tausende von Fotografen – Pinterest, auch eine Plattform für Tausende von Fotografen. Diese Plattformen sind Zeiträuber, da man angesaugt wird von Bild zu Bild. Eine Auswahl trifft man als Individuum in jedem Fall, daher ist es vielleicht doch nicht so tragisch, ­– und im nächsten Moment sind die gesehenen Bilder dank schützender Funktionen unseres Gehirns vergessen .
Die moderne professionelle Fotografie ist so hässlich – sensationsheischend, überscharf, übergrell, in hohen Kontrasten, als könnten die Augen keine Zwischentöne mehr sehen, als gäbe es keine Wahrnehmung mehr für Übergänge, verhaltene Farben und Halbschattentöne.
Ihre Motive sind ebenso hässlich, weil das Übertriebene stets dominiert: der riesige Abgrund, die riesige Höhe, die riesige Entfernung, die riesige Nähe, der riesige Kontrast zwischen extremem Vordergrund und unendlicher Ferne. Flug, Sturz, Tempo, Jagd, spritzende Flüssigkeit, vernebelnde Staubwirbel und das alles eingefroren auf Nanosekunden. Exorbitanz heißt das Wort. Besonders treffende Beispiele für diese Wahrnehmungscodes sind die Red Bull Publikationen oder Abbildungen in Fachmagazinen der Fotofirmen.

Für mich ist die Arbeit von fotografierenden Künstlern wesentlich wichtiger.
Eine Künstlerin sammelt alle fotografischen Bilder, die den von ihr gemachten ähnlich sind. Daraus macht sie etwas Neues, quasi einen Haufen aus Bildern. Ein anderer Künstler traut dem behaupteten, dokumentarischen Gehalt der Fotografie nicht und untersucht und verändert gefundene Fotos durch Bearbeiten mit Computerprogrammen, bis die Bilder zu seinen geworden sind und sich von dem, was sie behaupten, entfernt haben oder sich einer anderen Wahrheit nähern. Schon zu meiner Studienzeit kannte ich einen Künstler, der weggeworfene Fotografien sammelte, die er auf der Straße fand, besonders in der Nähe von Passfotoautomaten.
So hat auch eine sehr bekannte Vertreterin der sogenannten «Inszenierten Fotografie» einen Auftritt bei Instagram, wo sie außer ihrer Fotokunst weitere, eher private Bilder postet. Man nimmt an dem teil, was sie von ihrem persönlichen Leben und ihrer Anwesenheit in der Mode- und Glamourwelt bekannt geben will. Es bleibt abzuwarten, ob das ihrer Arbeit schadet oder diese weiterbringt.
Für eine weitere Künstlerin ist Fotografie ein Medium, mit dem sie, anders als mit Worten, eine Beobachtung transformieren kann. Die Beobachtung wird fotografiert, weil diese sie zum Staunen gebracht hat. Sie schneidet dann aus den gesammelte Ansichten den Nucleus heraus oder findet ihn durch den glücklichen Augenblick schon fertig vor.

Alle Bilder sind schon gemacht – aber trotzdem ist jedes neue Foto einzigartig, durch Zeit, Ort und Individuum.