Einfache Wahrheiten

Ich hatte einen Vater, hatte zwei Großväter, hatte vier Urgroßväter. Meinem Vater verdanke ich mein Leben, der Großvater väterlicherseits war mein Pate, einer der Urgroßväter väterlicherseits ist wie ich an einem dritten August geboren. Er hat als einziger Urgroßvater meine Geburt noch miterlebt. Mein Vater wäre heute 95 Jahre alt geworden.

EAW, fotografiert von meiner Mutter, auf ihrer gemeinsamen Reise ins Gebirge Anfang der 50er Jahre.

Rote Schuhe aus Bologna

Erinnerungsbild aus RWs Lebensabschnitt von 28 bis 35 Jahren
46. Bild
Einst kaufte ich mir rote Schuhe in Bologna. Mit ein paar Freunden erkundeten wir die Stadt, wir waren überwiegend im Universitätsgelände unterwegs – und sahen dort die damals berühmt-berüchtigten, politischen Graffiti an den Hauswänden. Bei einem Schuhhändler, der Schuhe aus Altbeständen verkaufte, sah ich Pumps aus einem wunderbar weichen, kirschrotem Leder. Sie hatten damals schon etwas Altmodisches. Der circa 7 cm hohe Absatz war nicht so dünn und gebogen wie bei einem Damenstöckelschuh der 50er, sondern gerade und eckiger, trotzdem schmal. Nur die Ferse und die Fußspitze waren mit Leder bedeckt, der Spann und die seitlichen Ränder des Fußes blieben frei. Sehr elegant  diese italienischen Schuhe – sie wurden von mir zu einem roten Jerseykleid oder einem knallroten Plisseerock bis zum Anfang der 80er Jahre getragen.

Den roten Fiat Jagst fuhr RW in den späten 70ern. Den roten Citroën deux chevaux fuhr eine ihrer Schwestern.

Am Niederrhein

Nicht nur in südlichen Gefilden sondern auch am Niederrhein in Düsseldorf Niederkassel kann man unter alten Weinstöcken mit reifenden Trauben sitzen und gut und lecker speisen. Spezialität des Hauses ist der Speckpfannekuchen für zwei Personen.
Meuser, Zum alten Bierhause, Alt-Niederkassel 75

Düsseldorferin findet einen Zahn bei Oberkassel


Am Tag des sogenannten Rhine Cleanup fand RW einen Zahn am Rheinufer. Er ist  etwa 6 cm lang, vielleicht ein Hauer von einem unglücklichen Schwein oder ein Hakenzahn von einem ebenso unglücklichen Hengst, die vor etwa 250 Jahren in den Rhein stürzten. Wer weiß, vielleicht wurden früher auch die Fleischerabfälle einfach in den Rhein gekippt. Fossil ist der Zahn wahrscheinlich nicht, aber er klingt beim Anschlagen wie ein Kiesel. RW fand das Exemplar an einer durch das Niedrigwasser trockenliegenden Buhne an Kilometer 742. (dazu auch RWs Beitrag vom 25. August)

Der Traum von der schwarzen Ziege

Ein großer, dunkelhaariger Mann
führt seinen kleinen Hund
jeden Tag mehrmals aus.
Ich sehe ihn auf den Rheinwiesen,
unter den Platanen, auf dem Weg, auf dem Deich.
Er geht so lange langsam hin und her,
bis der kleine weiße Hund seinen Kot abgelegt hat
oder der Bewegungsdrang erlahmt.
Manchmal trägt der Mann den Hund.
Wahrscheinlich gehört der Hund seiner blonden Frau.
Gestern Nacht im Traum sah ich den Mann
schräg links durch die Platanendächer hindurch
nicht nur mit dem weißen Hund,
sondern auch mit einer schwarzen, zotteligen Ziege.
Er rief sie, zog und zog sie an einer kurzen Leine,
sie aber stemmte sich mit aller Kraft gegen die Zugrichtung,
so dass ihre Hufe tief in den Boden gedrückt wurden.
Das dunkle Tier liess sich nicht und nimmer mehr bewegen.

Urdenbacher Funde


Der tiefschwarze Lydit, manchal auch mineralogisch nicht korrekt Kieselschiefer genannt, ist ein aus den Kieselskeletten mariner Mikroorganismen gebildeter, sehr harter, meist metamorpher Stein. Kohlenstoffhaltige organische Reste sind für die schwarze Farbe verantwortlich. Er wird auch von alters her Probierstein genannt. Mindestens seit Georgius Agricola, der das Verfahren in seinem 7. Buch (De re metallica libri XII, Bergbau und Hüttenwesen, 1556, Faksimile in meiner Bibliothek) beschreibt, haben Goldschmiede nicht punzierten Goldschmuck oder auch Münzen darauf abgerieben und dann die Strichfarbe mit dem Abrieb von geeichten Goldnadeln verschiedener Legierungen verglichen, um so den wahren Goldgehalt eines Stücks zu finden. Mit Scheidewässern, das sind Säuren, die das Gold angreifen, kann man das Ganze noch absichern.
Den winzig kleinen Achat fand meine Freundin Maggie B. bei unserem Gang zum Urdenbacher Rheinufer. Er ist so klein wie ein Fingernagel und erinnert mich in seiner Zeichnung an einen karibischen Fisch. «Das ist der einzige Stein, den ich heute mitnehmen werde.» sagte meine Freundin. Ich nahm allerdings mehrere Steine mit, unter anderem den Lydit und die Urdenbacher Druse (Beitrag von gestern). Meinem Hang zur Pareidolie wird auch der Lydit mehr als gerecht.
Foto des Achats von Margit Bauer

Reiseandenken am Ende des Sommers

Plaid pin of scottish pebbles (Agates), von RW 2009 erworben in einem Antiquitätengeschäft in Edinburgh. Zu Zeiten von Queen Victoria wurde es modern, Schmuck zu tragen, der aus den Gesteinen Schottlands gefertigt wurde. Durch ihre häufigen Besuche auf Schloss Balmoral lernten Victoria und ihr Mann, der naturwissenschaftlich und künstlerisch interessierte Prince Albert, die besondere Art des traditionellen schottischen Schmucks kennen. Abgerollte Achate an Fluss und Meeresufern zu finden, aber auch im Granit der Cairngorm Mountains nach Mineralien zu suchen, wurde populär. Besonders gesucht war der Cairngorm stone, ein natürlich gelber oder rauchiger Quarz. «The Cairngorms are the most extensive area of high mountain terrain in Britain. The area has given its name to gem quality smoky quartz, and has also produced spectacular specimens of beryl and topaz. In Victorian times, hunting for crystals was both a popular pastime and a ‘cottage industry’. Nowadays the area is a National Park and few fine specimens have come to light in recent years.» https://britishmineralogy.com
Einfache Mikromosaik-Brosche aus Glassteinchen, vielleicht aus Murano, von RW vor langer Zeit gefunden auf einem Flohmarkt irgendwo in Italien.

Vierzehntes Bild

Erinnerungsbild aus RWs Lebensabschnitt von 7 bis 14 Jahren
Der Ruß auf den Pflaumenbäumen
Die Rinden der zwei Pflaumenbäume im Garten von Haus Dorgarten, in dem unsere achtköpfige Familie ab den späten 50ern wohnte, waren mit Staub aus der Luft bedeckt, schwärzlichem oder rötlichem Ruß. In der Ferne sahen wir auch manchmal Feuer am Himmel lodern. «Abstich» wurde dann gesagt. Die Hochöfen und Kamine konnten wir von der oberen Terasse am Horizont gegen Westen ausmachen. Ich erinnere mich auch an dramatische Sonnenuntergänge. Wir hatten aber den Eindruck, als wäre die Luft klar und frisch, besonders im Herbst, wenn wir auf die Pflaumenbäume kletterten und die ersten, unreifen Pflaumen aßen. Wir putzten sie mit unseren Jackenärmeln blank und bissen hinein.
Eine lästige Aufgabe war es, das Laub im Herbst zu fegen. Unser Vater gab uns die Ordnung vor. Nicht kreuz und quer, mal hier und mal da, sondern «systematisch» in Reihen und am Ende der Reihen sollten sorgfältig Laubhaufen aufgetürmt werden, die dann zum Schluss aufgenommen wurden und auf den Kompost in der hinteren rechten Ecke des großen Gartens kamen. Der Garten war rings umgeben von Getreide- oder Rübenäckern. Das Haus lag an einer damals noch nicht so stark befahrenen Landstraße zwischen Düsseldorf und Duisburg. Von der Fensterbank des Kinderzimmers aus, auf deren polierter, warmer Oberfläche aus Fossilienkalk wir im Herbst und Winter gerne saßen, zählten wir die vorbeifahrenden Autos, besonders wenn wir auf den Vater warteten, der von der Arbeit oder einer Geschäftsreise kam.