Spurensuche

Am Rhein zu Kaiserswerth direkt unterhalb der Ruine der Kaiserpfalz kletterten wir über das mit großen Basaltblöcken gesicherte Ufer hinunter zum Wasser. Nach etwa zehn Metern rheinabwärts erweiterte sich die Uferböschung zu einem Kiesstrand. Hier wollten wir nach seltenen Steinen und Artefakten suchen. Die Rheingerölle direkt am oberen Hang waren sehr flach, graue Quarzite, perfekt zum Flitschen. Weiter unten war das Kiesbett viefältiger und bunter, auffällig aber war auf dem gesamten Ufer die schier unübersichtliche Zahl an Scherben, aus Glas, aus Porzellan und Keramik. Daneben fanden sich Ziegel- und Schieferbruchstücke, mit Rost bedeckte große Nägel und verblichene Knochen. Die Scherben drehten wir um, vielleicht bargen sie seltene Dekore oder noch lesbare Bodenmarken. Hatten die Bewohner des Städtchens hier ihren Schutt verkippt? Oder kamen die Artefakte direkt von der Pfalz?
Die Kaiserpfalz war Anfang des 18. Jahrhunderts geschleift worden, die Bewohner von Kaiserswerth benutzten die Ruine danach als Steinbruch. Noch heute kann man bei Niedrigwasser Trümmer des Baus aus Ziegel, Basalt und Trachyt im Rhein sehen. Um 1900 ist es dem Provinzialkonservator Prof. Paul Clemen gelungen, Ausgrabungen und Restaurierungsarbeiten an der Kaiserpfalz durchzuführen, um das historisch wichtige Bauwerk zu erforschen und zu erhalten. Seinen Bericht «Untersuchung und Ausgrabungen der Hohenstaufenpfalz in Kaiserswerth in den Jahren 1899 und 1900» habe ich in meiner Bibliothek (!) gefunden und gleich gelesen. Es gab eine Zisterne und Brunnen auf dem Pfalzgelände, daneben die Abfallgruben oder Latrinen, Fundgruben für Scherben und Bruchstücke von Gerätschaften der ehemaligen Bewohner. Paul Clemen schreibt, dass er zwei Brunnen des 18. Jahrhunderts nicht untersuchen ließ, die waren ihm schlicht zu jung. Es ist belegt, dass eine Latrine der Pfalz zum Rhein hinaus ging, dahinein ist sicher so manches schöne Stück entschwunden.
Jedes Artefakt, das ich am Rhein mitnahm, möchte ich erforschen und bestimmen können. Ich fand auf einem Scherben zum Beispiel eine Bodenmarke von Villeroy und Boch, V & B Goldene Denkmünze mit Krone, diese war um 1850 in Gebrauch! Meine Freundin, die ein gutes Auge hat, zeigte mir wie beiläufig ihren ersten Fund, eine Sensation in meinen Augen: es war ein Glasstopfen für ein enghalsiges Fläschchen, sehr alt, wie wir an den Luftblasen im Glas und der abgestossenen Oberfläche sehen konnten. Später fand sie noch ein Pfeifenfragment aus weißem Porzellan und sehr schön bemaltes Steinzeug. Zu meinen Funden zählten: ein Knochen, ziemlich schwer, das heißt, er ist wohl schon verkieselt – etliche graue Fragmente von Westerwälder Steinzeug mit blauer Bemalung – niederrheinische Irdenware mit grüner oder gelber Glasur, (vielleicht aus dem 18. JH.?), manche sogar mit wellenartiger Bemalung – Schieferplatten mit kreisrunden Löchern von Nägeln – zwei Bruchstücke einer niederländischen Fliese, die sich zusammenfügen ließen und man blaue Schiffsmasten und Segelspitzen erahnen konnte – dicke Standfüße von uralten Weingläsern – Bruchstücke aufwändig geschliffener, hässlicher Glasgefäße aus welcher Zeit auch immer. Pressglas war es nicht.
«À la recherche du temps perdu…»

Funde vom Rhein bei Kaiserswerth, Fotografie RW, 13. Juli 2022