Korrespondenzen XLI

Die Lichtstrahlen der Galaxien waren bis zu 13 Milliarden Jahre unterwegs bis sie auf das James Webb-Weltraumteleskop trafen. Eine Aufnahme des «Deep Field» wurde am 11. Juli als sein erstes Bild der Öffentlichkeit vorgestellt: Es zeigt den Galaxienhaufen SMACS 0723 im Sternbild Fliegender Fisch (Volans). Die Entfernung zur Erde beträgt etwa 4,6 Milliarden Lichtjahre.
Um 01.11 Uhr in der Nacht des 13. Juli beobachtete die steinalte Sophia vom Rheinbalkon aus den großen Vollmond, der sich hinter Wolkenfetzen verbarg. Der Mond ist von der Erde nur 384.400 km weit entfernt, das James Webb-Weltraumteleskop dagegen 1,5 Millionen km. Den Mond sehen wir immer mit einer Sekunde Verzögerung, das von ihm reflektierte Sonnenlicht braucht diese Sekunde, um in unser Auge zu gelangen. Wir schauen in die Vergangenheit, wenn wir die Sterne sehen. Ich sehe also altes Licht – sind die Galaxien nach Milliarden Lichtjahren Sendezeit zum Zeitpunkt ihres Auftreffens auf die Teleskope und unser Auge überhaupt noch existent? fragte sich die steinalte Sophia, wohl wissend, dass sie die Antwort nicht finden würde, stattdessen versuchte sie das nächtliche Licht am Nachthimmel mit dem Smartphone einzufangen. Auf dem Display erschienen ihr die Wolken wie planetarische Nebel und die weit entfernten Lichter der Stadt wie Raumschiffe, die bald auf den grell erleuchteten Rheinwiesen landen sollten.

Mondnacht am Rhein, Fotografie RW 13. 7. 2022,
«Webb’s First Deep Field» zeigt den Galaxienhaufen SMACS 0723, Filmstill aus den Nachrichten vom 12. Juli 2022