Jörg Immendorff

Neulich wurde ich im Zusammenhang der Münchner Ausstellung  «Jörg Immendorff: Für alle Lieben in der Welt» gefragt, ob ich ihn auch gekannt habe. An der Kunstakademie Düsseldorf in den 70er Jahren hätte man sich über den Weg laufen können. Ja, ich kannte Jörg Immendorff.
Vor kurzem habe ich alte Unterlagen aus der Studentenzeit wieder gefunden und wollte sie endlich entsorgen. Einiges könnte ich allerdings dem Archiv der Kunstakademie widmen. Ich fand auch meine Protokolle der ISK-Sitzungen aus dem Jahr 1974. Wir Kunstakademiestudenten (fast alle waren damals links und linker) wollten in Düsseldorf «Initiativen zur Gründung einer Vereinigung Sozialistischer Kulturschaffender» (ISK) aufbauen. Immendorff war da eine Leitfigur. Ich kam aus einem konservativ geprägten Elternhaus direkt nach dem Abitur mit gerade 19 Jahren an die Kunstakademie. Dort wurde ich mit der unruhigen Atmosphäre von Aufruhr und Revolte konfrontiert. Das hat mich sehr beeindruckt. Immendorff fiel auf als ein charismatischer junger Mann, schon seit Mitte der 60er an der Akademie, der sich durch seine brillanten Redebeiträge in der Beuysklasse und auf Studentenversammlungen profilierte. So trafen wir uns mit gleichgesinnten Kommilitonen in der Düsseldorfer Altstadt in einem Hinterhofgebäude zu Sitzungen mit endlosen Diskussionen über die Unruhen an der Kunstakademie. Wir entwarfen Wandzeitungen, verabredeten uns zum Zeichnen im Hochofenwerk, sprachen über die eigenen Werke, über unsere Verachtung des Kunstmarktes, unser Verhältnis zur Arbeiterklasse, zur Politik der Regierung oder zur Weltpolitik. Ich behauptete damals zwar auch meine Standpunkte, war aber als noch sehr Unerfahrene eher am Rande des Geschehens.
Eine Fahrt nach Hamburg in Immendorffs weißem VW Käfer ist mir noch gut in Erinnerung. Immendorff wirkte immer sehr aufgekratzt, fuhr einen heißen Reifen. Wir waren zu fünft im Auto. Als wir in Hamburg in ein Parkhaus einfuhren, raste er in eine freie Lücke und krachte vorne mit der Stoßstange an die Wand. Anlass der Fahrt war eine Ausstellung im Kunstverein Hamburg «Aspekte der engagierten Kunst», kuratiert von Uwe M. Schneede. Es gab heftige Diskussionen zur Ausstellung. Jochen Hiltmanns Film «Engagierte Kunst! Für wen?» sollte zensiert werden, aber in einer Debatte wurde demokratisch abgestimmt und der Film wurde gezeigt. Im meinem Protokoll über die Hamburgfahrt zitiere ich Immendorff, « Der Film soll nur ein Beitrag unter vielen sein… » Das erste Labskaus meines Lebens in Hamburg ist mir besser im Gedächtnis als die Werke in der Ausstellung.
Siehe auch den Artikel von Gottfried Sello in der Zeit vom 27. September 1974 «Kunst verhunzt» (Zeit online)
Längst hatte man sich von den Vorstellungen der 70er Jahre abgewandt und die ehemaligen Mitstreiter aus den Augen verloren, als ich 1982 die Ausstellung  «Café Deutschland – Adlerhälfte» in der Düsseldorfer Kunsthalle sah, eine von Jürgen Harten initiierte Ausstellung.  Ich habe sofort eine Hasstirade gegen die Malerei von Immendorff verfasst, weil sie für mich grobe Kulissenmalerei mit sehr durchschaubaren Effekten war. Mit Café Deutschland hatte er allerdings vorausschauend ein wichtiges Thema angepackt. Seine frühere Malerei der 70er Jahre war mir zu agit-prop-spießig gewesen. Die davor, vom Ende der 60er Jahre mit frecher Extra-doof-Attitüde bis «Hört auf zu malen» gefiel mir noch am besten. Ich war damals Dada-Enthusiastin und alles, was zu glatt war oder zu nah am Kunstmarkt, konnte ich nicht ertragen.
Meine letzte, etwas exotische Begegnung mit Immendorff war im Künstlerverein Malkasten in Düsseldorf, wohl in den späten 90er Jahren. Er saß mir und meiner Schwester gegenüber und unterhielt sich sehr angeregt mit uns, dabei seine zwei sehr stark geschminkten Model-Begleiterinnen, rechts und links von ihm, vollkommen ignorierend.

Im Münchner Haus der Kunst sieht man jetzt etwa 200 Arbeiten aus allen Werk-Zeiten Immendorffs – gut!!!

René Block  und Jörg Immendorff auf der Bühne sitzend, während des Klavierduetts von Joseph Beuys und Nam June Paik, Aula Kunstakademie Düsseldorf, 1978

Jörg Immendorff auf einem Plakat der ISK, Veranstaltungsort Kunstakademie Düsseldorf,
Protokoll von RW zu einer der vorbereitenden Sitzungen der ISK in Düsseldorf,
beides Herbst 1974

Vergißmeinnicht

Seite aus einem Schreibheft meiner Mutter. Wohl in der ersten Schulklasse verfasst, etwa um 1928. Mit einer sehr feinen Feder schrieb sie geschickt die Buchstaben und Worte in Sütterlin. Das R gefällt mir besonders gut. Aus dem Nachlass meiner Eltern.

Der Nebel steigt auf

Und dann setzten wir am frühen Morgen die Reise fort. Der Nebel strich noch über die Wiesen, zerteilte die Wipfel in der Ferne. Die gerade aufgegangene Sonne und der wolkenlose Himmel verrieten uns aber, dass er bald aufsteigen wollte und sich unsere Wege klären würden.

 

Blick aus dem Fenster von Schloss Gartrop morgens um 8.14 Uhr, Oktober 2018

Handschriften

Im Alter von etwa 15 Jahren pflegte ich zwei Briefreundschaften, mit der Inderin SB und dem Portugiesen JMBLG. Wie sorgfältig wurden solche Briefe geschrieben, mit schöner Schrift, wie wunderbar die fremden Briefmarken. Der Portugiese erwähnt in seinem Brief die Literatur, die er mag, er zitiert dazu ein Gedicht von Paul Eluard und fragt mich dann, ob ich den Autor der «Brücke» kenne, Manfred Gregor. Das ist das Pseudonym des Autors Gregor Dorfmeister, der dieses Jahr im Februar verstarb. JMBLG war fünf Jahre älter als ich und ich bin mir nicht sicher, ob ich damals die Dimensionen seiner Briefe verstanden habe.
Ich verwahrte im Keller in einem größeren Karton meine alten Briefe auf. Geschwisterbriefe, Elternbriefe, Freundschaftsbriefe, Liebesbriefe. Hatte sie alle längst vergessen. In meiner Jugend war das Schreiben manchmal die einzige Kommunikationsmöglichkeit. In der Studentenbude hatte man kein Telefon. Ich habe noch mindestestens 50 Briefe von meiner Freundin MM aus Schulzeiten. Nach dem Abitur schrieben wir uns noch eine Weile weiter, bis wir uns aus den Augen verloren.
Ich schrieb auch viele, zum Teil ungewöhnlich intime Briefe an meine Lieblingslehrerin, die früh das Gymnasium verlassen hatte, um nach London auszuwandern. Ich erhielt von ihr nicht minder persönliche Antworten, obwohl wir uns zunächst noch siezten.
Die Kultur des handgeschriebenen Briefes ist heute fast ausgestorben. Als Zeichnerin liebe ich die Handschriften der Menschen als deren persönlichste Spur.

Wege der Alten

Wir haben in alten Zeiten auf unseren Wegen gerne Stöcke benutzt, nicht die Trekkingstöcke aus Aluminium oder Karbon, sondern aus Holz. Ein schön gewachsener Ast, entrindet, unter Hitze und Feuchtigkeit gebogen, gebeizt oder gewachst und mit Metallspitze versehen. Geschmückt mit Stocknadeln aus berühmten Orten sind sie erst richtig vollständig.

Osten und Westen

Die Chinesen waren zum Kaffee da und freuten sich über die farbigen Leckereien aus der Hohen Strasse in Düsseldorf. Ich zeigte ihnen aus meiner Sammlung ein schönes Stück abgerollte Flussjade aus Burma, das JK in China gekauft hatte und mir mitbrachte. Ich schenkte den chinesischen Gästen Amethyste aus Schlottwitz, Sachsen. In Dresden hatte ich sie 2002 an einem Stand vor der Hofkirche gekauft.

Ein Traum kehrt immer wieder

Ein immer wiederkehrender Traum
Obwohl ich schon längst woanders wohne, erinnere ich mich plötzlich, dass ich eine Wohnung zurückgelassen habe. Nur ein Zimmer, voll eingerichtet. Man wollte es wohl noch behalten, als Arbeitsraum, Atelier, Rückzugsort? Das Zimmer liegt in einem Altbau in einem hohen Stockwerk. Es ist ein Durchgangszimmer, andere Mieter gehen manchmal durch dieses Zimmer hindurch. Ich bin empört, dies ist mir sehr unangenehm. Ein Tisch, ein Bett sind drin, irgendetwas Rotes auch. Es ist hell und sonnig. Es gibt dazu einen Dachgarten oder zumindest einen Balkon rings um das Haus. In den Schubladen der Schränke müssen alte Zeichnungen und Notizen von mir sein. Hoffentlich findet sie keiner. Wenn man weitere, angrenzende, sehr dunkle Flure begeht, kann man in Künstlerateliers gelangen. Bis ins nächste alte Haus, alles scheint verbunden. Es ist wie früher, als viele Studenten in Abbruchhäusern wohnten. Wenn ich das Haus verlasse, bin ich in einer Altstadt. Ich weiß beim Verlassen des Hauses, dass ich nur ein paar Strassen weiter um die Ecke zu gehen brauche, um nach Hause zu kommen, aber ich finde die Straße nicht, erkenne die Hausfassaden nicht wieder.
Beim Notieren des Traums kommt mir ein anderer Wiederkehr-Traum in den Sinn, sie hängen wohl zusammen. So träumte ich öfter von einer sehr breiten, polierten, steinernen Treppe ganz lang hinunter in die Mensa der Kunstakademie.
Dort wurde gefeiert und gegessen. An einem Tischchen saß jemand, der Eintrittskarten kontrollierte oder Essensmarken verkaufte. Gleichzeitig war Rundgang, ich konnte in alle Ateliers aufsteigen. Alles war allerdings dunkel wie in der Nacht. In einem Raum hingen auch meine Arbeiten, wunderschön, die hatte ich ganz vergessen, aber man hatte sie ausgewählt und aufgehängt.

 

Der Drache wartet am Ende der Schlucht

Steil abwärts ging der Weg, tief hinein in eine enge Schlucht, vorbei an der steinernen Drachenfratze bis hinunter zum Ufer des Sees, wo wir ein Boot bestiegen, um die Reise ins Weite fortzusetzen.

Weg durch die Marienschlucht zwischen Wallhausen und Bodman am Überlinger See. Fotografie 2004
Seit 2015,
nachdem es einen schweren Erdrutsch mit einem tödlichen Unfall gab, ist dieser Weg für Wanderer gesperrt.