Ahh

Ein Frühlingsbild als Erinnerungsauslöser
6. Erinnerungsbild: Sonnenlicht im «Herrenzimmer», ausgerichtet nach Osten, schwarzgelbweiß gestreifte Vorhänge, der Schreibtisch des Vaters im Elternhaus, etwa 1957.
Siehe auch den Blogbeitrag vom 8. September 2018

Im Park von Schloss Dyck bei Neuss, Fotografie RW, April 2011

Was ist hier los?

Dunkler Frühlingsabend am gemauerten Rheinufer. Hohe Gebäude, Schienen, Container. Heulen und Brummen, elektrifizierte Klänge dringen aus der Halle nach draußen. Es ist kalt. Viele Leute vor dem geöffneten Tor, im Gebäude helles Neonlicht. Arbeiten von 25 Künstlern an den Wänden, auf dem Boden, an Stellagen im Raum, dazwischen das Preview-Publikum. Große, glasschwarze Bodenplatten (Sebastian Wickeroth), bemalte Leinwände (Benjamin – Novalis Hofmann) und Mäntel (Eckart Roese), mintgrüne Wand mit cremeweißen Thermoskannen in Vitrinen (Katharina Maderthaner), ein faszinierendes Häuschen aus weißer Pappe mit perfekt-verrückten Videos, Haselnüsse unten, schwarze Farbe wird verspritzt (Julia Oschatz). Kupfergrün patinierte Bronzeplastiken, epische Heldengeschichten wie aus vergangenen Zeiten (Leonid Sokhranski), bunte Plastikteile und tanzender Sand im Lautsprecher (Blue Curry), dröhnendes, klingendes Totholz (Taka Kagitomi) und ein Ufo (Robert Pufleb).

Bis zum 27. April sind in der Halle Werft 77 in Düsseldorf-Reisholz Arbeiten zu sehen von Rimma Arslanov, Gary Colclough, Blue Curry, Dan Dryer, Merike Estna, Gregor Gleiwitz, Benjamin – Novalis Hofmann, Taka Kagitomi, Ketonge, Katharina Maderthaner, Hiroyuki Masuyama, Jon Moscow, Roy Mordechay, Christl Mudrak, Charlotte Mumm, Linda Nadji mit Bettina Nampé, Julia Oschatz, Robert Pufleb mit Nadine Schlieper, Eckart Roese, Leonid Sokhranski, Christian Schreckenberger, Paul Pascal Theriault, Sebastian Wickeroth
Öffnungszeiten SA + SO 14 – 18 Uhr Reisholzer Werftstr. 75 – 77
40589 Düsseldorf

Gold, Bergkristall, Rubinrot

Den Luzifer besiegen,
Fratzen mit Glutaugen und Fischzähnen zähmen,
Nachtfalterflügel und Flederhaut treten,
Arme und Beine wie Vogelkrallen lähmen,
Echsenmäuler an den Gelenken brechen.

Aus dem Panzermaul kriecht die Schlange in den Staub,
Kampfspuren am Boden, Klauen greifen keine Steine mehr.
Dort liegt die Künstlersignatur, deutlich aus einer anderen Welt.
Violett ist das Gewand des irdischen Zeugen.

Wer ist wie Gott – das ist der Name des Engels,
sein Schild aus Bergkristall, geschliffenes Gewölbe, hier ist das Licht,
der Schutz vor dem Bösem. Ein Osterlied kommt in den Sinn –
Der Leib ist klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all, die Seel durchstrahlt ihn licht und rein, wie tausendfacher Sonnenschein, Alleluja, Alleluja.
Jerusalem im goldenen Brustspiegel, rubinrot die Landschaft des Mantels,
goldene Schuhe mit Perlen und Edelsteinen auf dem Dämon.
Dreimal roter Mohn und eine Distel.

Noch bis Juni ist eine Ausstellung über den Maler Bartolomé Bermejo, (1440 – nach 1495) in Barcelona zu sehen, danach kommt sie nach London in die National Gallery, der das Bild mit dem Erzengel Michael auch gehört. Ein Vorbesitzer ist der Juwelenhändler (!) und Sammler, Julius Wernher. Im Sommer möchten wir zu gern nach London reisen, um die Werke von El Bermejo zu bewundern. Der Heilige Michael wurde kürzlich restauriert, die alte Version kann man im Internet auch noch finden. Die spannende Ikonographie des Bildes birgt sicher noch so manches Geheimnis.
Bartolomé Bermejo, «San Miguel triunfante sobre el demonio con Antoni Joan», 1468, Óleo sobre tabla, 179,7 x 81,9 cm,
Londres, The National Gallery. Bought by Private Treaty Sale with a grant from the American Friends of the National Gallery, London, made possible by Mr J. Paul Getty Jnr’s Endowment Fund, 1995.
https://www.museodelprado.es/actualidad/exposicion/bartolome-bermejo/66e35a1d-77bc-aca0-bab3-6788bd54672f
siehe auch FAZ vom Montag, dem 1. April 2019

Geländer

Geländer
Leider – sagt R. – zwischen dem Sein
und dem Nichtsein gibt es kein Mittelding,
nichts, nicht einmal einen Korridor, nicht einmal ein Geländer,
auf das sich die müden Adler niedersetzen könnten.

aus: Adam Zagajewski: Mystik für Anfänger. Gedichte. Aus dem Polnischen übertragen und herausgegeben von Karl Dedecius. Hanser Verlag 1997.
Treppenhaus im Museum für Gegenwartskunst, Siegen, Fotografie RW, 2019

Zweimal Rot

Die schöne Arbeit «Rotes Regal» (1978) von Michel Sauer, hier im Ausschnitt fotografiert, haben wir am Sonntag in Siegen gesehen. Das Museum für Gegenwartskunst zeigt sie in der Ausstellung  «DER TRAUM DER BIBLIOTHEK». Ein für uns sehr anziehender Titel, so dass wir uns auf den Weg zur Vernissage gemacht haben. Gleichzeitig zur Ausstellungseröffnung fand dort die Verabschiedung der Direktorin Dr. Eva Schmidt statt, die 15 Jahre das Haus leitete. In der letzten von ihr kuratierten Schau zum Thema Buch und seinen möglichen Aufbewahrungsorten sind Fotografien, Installationen, Filme, Malereien und Skulpturen vereint.
Als Stein- und Edelstein-addicts ist uns die Arbeit von Fernanda Fragateiro «Stones Against Diamonds, after Lina Bo Bardi» (2016) aufgefallen. (Fotografie rechts) Sie hat Exemplare des rot eingebundenen Buchs der Architektin und Designerin Bo Bardi (1914 – 1992) in einen klaren Block zwischen polierte Stahlplatten gebracht, so dass man die Essays der Autorin nicht mehr lesen kann. Daneben kann man eine andere Arbeit von Fragateiro, «(Not) Reading „Ulisses“, James Joyce,» (2017), sehen. Hier klemmt sie eine beschnittene Suhrkampausgabe des Ulysses zwischen zwei Scheiben aus Acryl. Die Verarbeitung des (Not) Reading hat sie mit vielen Büchern veranstaltet, mit Werken von Paul Éluard, Martin Heidegger, Karl Marx, Walter Benjamin, Robert Walser, mit Ausgaben des Kursbuchs, der Pelican Books, der Reihe Informationen zur politischen Bildung, mit Kunstkatalogen, Architekturbüchern, Ästhetikabhandlungen, Theorien zur Moderne, etc.
Die turmhohe Arbeit «(Not) Reading Rainbowcolours, after Willy Fleckhaus, Suhrkamp Catalogue 1963» , die wir auf der Website der portugiesischen Künstlerin gefunden haben, hat es uns besonders angetan.
In der Siegener Ausstellung sieht man auch einen Film über den leidenschaftlichen Schweizer Kunstbuchsammler Daniel Rohner. Unsere Freundin Margit Bauer hat diesen Film kurz vor seinem Tod im Jahr 2007 gemacht. In der Kunstbibliothek im Sitterwerk, St. Gallen, kann man seine gesammelten Bücher heute noch aufsuchen.

Museum für Gegenwartskunst Siegen, Der Traum der Bibliothek, 31.03. – 1.09.2019, Arbeiten von: Saâdane Afif, Jacques André, Margit Bauer, Achim Bitter, Julius Brauckmann, Clegg & Guttmann, Fernanda Fragateiro, Lutz Fritsch, Michael Glawogger, Rodney Graham, Thomas Hartmann, Candida Höfer, Axel Hütte, Abigail Reynolds, Michel Sauer, Beatrix Schwehm, Mika Taanila, Erdem Taşdelen, Frederick Wiseman, Erwin Wurm, Peter Wüthrich.

Orion verlässt den Himmel

Mein Lieblingssternbild Orion taucht bald am westlichen Nachthimmel unter den Horizont. Die blauweißen Überriesen, der kalt strahlende Rigel und der weniger helle Saiph von seinem unteren Rocksaum oder Fuß werden schon in den nächsten Tagen nicht mehr zu sehen sein. Die drei Gürtelsterne Alnitak, Alnilam und Mintaka sind noch ein Weilchen da, und wenn die Schultern mit dem roten Überriesen Beteigeuze und dem hellen Bellatrix ganz verschwunden sind, haben wir schon lange Mai.

Blühender Viburnum an der Rheinallee, Düsseldorf, Fotografie RW, 2019

Confusio

Neulich fiel mir das Wort für eine hellgrüne Knolle nicht ein.
Ich sah ihr Bild, aber der Begriff wollte sich nicht
wie gewohnt in Sekundenbruchteilen einstellen.
Kohlrabi
Kohlrabenschwarz Kohle Kohlrabe
Rübe Rübezahl Rabe Rapa
Radix
Die Wurzel allen Übels
Radieschen, das Würzelchen
Rapunzel, das Rübchen
Das Schiff CONFIDENCE
auf dem Rhein fahrend
machte alles wieder gut.

Drei Bernsteintropfen, fossiles Harz, circa 40 Millionen Jahre alt, Sammlung RW

Fabelhaft

Pia Fries FABELFAKT, vom 28. März bis 16. Juni 2019 im Kunstpalast Düsseldorf,
Arbeiten von 1999 bis bis 2019, sieben Werkgruppen in sieben Räumen

Betrachterin vor «lixfeld, 2005» von Pia Fries, Kunstpalast Düsseldorf, am Abend des 26.03.2019, Fotografie RW

Zwei Tauben

Zwei Ringeltauben im blühenden Baum,
erwarten im Sommer die Kirschen,
im Herbst das rote Laub,
im Winter die Schneehauben und den Raureif.
Ihr Rufen und Gurren
bleibt verläßlich im Jahreskreis.

Vor einem Jahr im März
stand die Zeit still.
Die Hierarchie wurde geändert.
Das Obere kam nach unten.
Das Junge vor das Alte.

Sommer, Herbst, Winter und Frühling.

Blühende Zierkirsche im hinteren Garten, Fotografie RW, 2010