hast du nicht dieses verspüret


Zur Zeit lese ich den neuen Roman Ombra von Hanns-Josef Ortheil. Das Buch, gerade erschienen, berichtet von seiner schweren Krankheit und deren Überwindung. Noch bin ich nicht sehr weit gekommen, aber schon jetzt geradezu beunruhigt.
In Not und Krankheit wünscht sich mancher Hilfe und Beistand von Oben. Das alte Lied von Joachim Neander Lobe den Herren (1680), besonders eindrücklich vertont von JS Bach (Choralkantate BWV 137), hilft allemal. Zwar erinnere ich mich mit einigem Unmut an vergangene Zeiten, als meist zum Schluss der sonntäglichen Messe die Gemeinde dieses schöne Lied viel zu laut mitsang und der Organist alle Register zog.
auff Reisen / zu Hauß oder bei Christen-Ergetzungen im Grünen… zu singen, heißt es im ursprünlichen Titel. Das gefällt mir sehr und hilft ruhiger zu werden und gelassener durch die weiten Heiden, Wälder und Sande der Hoge Veluwe zu wandern. Besonders morgens, wenn es sehr still ist und die übrigen Touristen noch beim Hotelfrühstück sitzen, kann man auch im Herbst ein paar Vogelstimmen hören und in der Ferne die wilden Pferde grasen sehen.
Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret,
der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet,
der dich erhält,
wie es dir selber gefällt;
hast du nicht dieses verspüret?
Als Kind wusste ich nicht genau, was Adelers Fittiche waren, und als ich es wusste, war mir die Vorstellung, auf den Adlerflügeln zu fliegen etwas unheimlich. Aber die folgenden Zeilen In wieviel Not/hat nicht der gnädige Gott/über dir Flügel gebreitet! ist mit das Schönste, was ich aus christlicher Tradition behalte.

Heidegras im Rund, Hoge Veluwe, NL, Fotografie RW, 18. Oktober 2021