Blick in die Kristallkugel

Heute sah die steinalte Sophia ein rätselhaftes Bild in einem alten Buch über Kristallkugeln und allerlei Zauberei. Ein Medium berichtete im fünften Kapitel von zahlreichen Mouches volantes in seinem inneren Auge, woraus es im Stande war, die Zukunft zu lesen. Genau nach den Schilderungen des Mediums war ein Phantombild des Phänomens gezeichnet worden. Dann hatte man die Zeichnung mit Rosa und Grün aquarelliert, da das Medium von diesen Farben sprach. Auch hatte man mit Helldunkel ein Leuchten wie von tief innen her hinzugefügt.
Die steinalte Sophia studierte die Abbildung im Buch ganz genau. Hier und da entdeckte sie Buchstaben, Blasenansammlungen und feine Blättchen, auch Pentagramme mit feinen Konturen. Wie soll das jetzt alles gedeutet werden, fragte sie sich. Im Text des Kapitels suchte sie nach einer Auslegung, dann in sämtlichen Anmerkungen, die fast die Hälfte des Buches einnahmen. Das Buch war von 1923, hatte einen blauen Umschlag und war in St. Gallen gedruckt worden. Da fiel der steinalten Sophia ein, dass ihr die 2 als Kind immer grün leuchtete, die 3 rosafarben und die 5 blau. So also, dachte sie, es genügt, wenn man angesichts dieses Zauberbildes in die eigenen Tiefen der Erinnerung blickt.

Seifenblasen, digital manipulierte Fotografie RW, April 2018