Der erste Tag im Neuen Jahr

Schon immer wollte ich ein geschmolzenes Glasstück am Rhein finden. Dieses fand ich am letzten Tag im Jahr 23 in unmittelbarer Nähe des Rheinufers. Am Abhang der Brückenauffahrt hatten die Kaninchen, wahrscheinlich auch durch die andauernden Regenfälle provoziert, ihre Bauten radikal ausgeräumt. Es waren große Löcher entstanden, davor lagen Scherben und Kiesel. Unter anderem dieser schöne wasserblaue Glasklumpen. Seine Oberfläche glänzt irisierend, weil er länger im Erdreich gelegen hatte. Etwas weiter vom Loch des Baues entfernt lag noch ein Stück sehr feines Glas, das eine wabenartige Oberfläche aufweist. Hoffentlich kein Golfball oder das Stück einer Plastikverpackung, dachte ich. Zu Hause gereinigt entpuppte es sich als eigenartig feines Glas, von einem Lampenschirm oder Flakon? Direkt unter der Auffahrt der Brücke war der Schotter durch den tagelangen Regen sehr sauber gespült worden. Dort fand ich ohne große Anstrengung, zwar mit durch den Wind tränenden Augen, gleich zwei schöne blaue Scherben – die eine aus Porzellan wie eine Illustration des Flusses mit Wellenlinien, die andere aus Steinzeug mit Beeren und Blättern bemalt. Frohes Neues Jahr 2024!

Funde von Silvester 2023, an und unter der Kniebrücke bei Düsseldorf.
Fotografie und Sammlung RW, 1. Januar 2024

Zwischen den Tagen

Wenn man das Weihnachtsbild von vorgestern einfach ins Negativ umgekehren würde, erhielte man ein lichtes Traumbild, das auf leichte und helle Tage verwiese, die in einem fernen Frühling leuchten könnten. Was also gleich geschehen wird, wie der Vater zu sagen pflegte.

Weihnachtsschmuck zu Hause, invertierte Fotografie RW 26. 12. 2023

23-12-23 Feuerwerk

Heute feiere ich ein vorweihnachtliches und vorneujährliches Fest – der letzte Zweimal-23-Tag ist angebrochen. Um 23 Uhr 23 werde ich auf meine Zahl mit Champagner anstoßen und für kurze Zeit Krieg, Krankheit und Katastrophen vergessen.
Allen eine frohe Weihnacht und ein gutes Neues Jahr mit der Hoffnung auf Frieden!

Keramikköpfchen, Korallen und ein Kupfernugget mit Wunderkerzen, Fotografie RW 23.12.23

Nachtschattengewächse

Nachtschattengewächse
Deine besten Gedichte erscheinen in der Nacht
zwischen zwei Träumen wie unverhoffter Besuch,
kein Wort zu viel, kein Wort zu wenig, erklären sie
das Leben, die Liebe, die Lüge und reimen sich
ohne Gleichklang, dialektische Blitze wie sie
Walter Benjamin gefallen hätten, streng logisch
und voll metaphysischer Ticks, du memorierst Zeile
für Zeile, bist aber zu faul, das Licht anzuschalten,
um sie zu notieren, beim Erwachen, denkst du,
wirst du dich jeder Silbe erinnern und schläfst
wieder ein, am Morgen bleibt von ihnen nichts als
eine vage Erinnerung an einen glücklichen Augenblick,
den du bemerktest, aber nicht festhalten konntest.

Gedicht von Steffen Mensching in der FAZ vom 9. Dezember 2023
Dazu meine Arbeit von 2023: Drei Keramiken mit Pflanzenrest, Drahthaken vom Rheinufer Düsseldorf und Mandaringranat in Glimmer aus Äthiopien

ERNTE 23

Die ERNTE ist eingefahren – die Broschüre zu meiner diesjährigen Ausstellung ERNTE 23 – Kostbarkeiten aus der Sammlung zur Zahl 23 ist erschienen! Die Ausstellung im Künstlerverein Malkasten Düsseldorf fotografierte Achim Kukulies und das Buch wurde von Anke Berßelis gestaltet. Darin auf 48 Seiten zahlreiche Abbildungen und ein Text zur Zahl 23 von mir. Gerade frisch erschienen im Verlag Kettler und kostet 23 €. Große Freude!

Der Schlaf

Das, was in den Träumen wirklich ist, kann die steinalte Sophia am Tage nicht aufrufen. Sie hat Einzelheiten und Verlauf am Morgen vergessen, aber es bleibt ihr das Wahrnehmen von Wirklichkeit in der Erinnerung. Wie oft sprach sie im Traum mit ihren Eltern, fotografierte oder wollte fotografieren, war auf großen Reisen, sah fremde Landschaften und doch waren die Bilder dunkel, ein ewiger Abend. Sie hatte meist keine Angst, bewegte sich frei von Szene zu Szene, Hindernisse, Abgründe und Stürme verschwanden ebenso schnell, wie sie erschienen. Sie war dankbar für den Reichtum, den die Träume ihr gaben, auch wenn nur das Empfinden blieb.

Im wiedereröffneten Kunstpalast Düsseldorf, vorne eine Arbeit von Hans Op de Beeck, an der Wand ein Gemälde von Karin Kneffel, Fotografie RW 19. November 2023

23-11-23 Zeit und Heilung

Der vorletzte Symmetrietag 23 des Jahres ist heute: 23-11-23. Es ist ein Donnerstag. Der 23. im Dezember wird ein Samstag sein. Die Zeit lässt sich nicht anhalten. Bald feiern wir Weihnachten und Neujahr. Ich mag nicht daran denken, dass dann das Jahr 2024 beginnt. Solch utopische Zahlen.
Der Spieler auf dem Bild ist verletzt. Das Ereignis auf dem Bild ist alt, aber für die 23-Sammlung wertvoll. Das Bild ist traurig, aber die Botschaft lese ich: ihm wird geholfen. Er wird gestützt. Man wird ihn heilen. Zwei Alte haben seine Arme um die Schultern gelegt, so verteilt sich die Schwere seines Körpers. Der Spieler hat für dieses Ereignis einen Gedächtnisverlust erlitten. Die Zeit wurde für ihn kurz angehalten, oder besser ausgeblendet.
Heute schaue ich auf das Bild, das für mich sammelwürdig ist. Hier hat die Zeit ein Loch und Hilfe kommt von zwei Seiten. Allerdings habe ich mir die »Verletzungshistorie« des Spielers angeschaut – er wird bis heute noch viele weitere Verwundungen erleiden.

Fotografie aus der Rheinischen Post zum Thema Gesundheit der Gelenke, RW Sammlung 23, digital bearbeitete Fotografie RW vom 23. 11. 23

Im Brauhaus


An einem regnerischen Abend im November gingen die Freunde in ein traditionelles Brauhaus. Fünfmal gerollte Bratwurst, dreimal mit Sauerkraut pur, zweimal mit Kohlrabi und Kartoffeln und einmal Muscheln rheinische Art. Dazu tranken sie Altbier vom Fass und zum Abschluss einen Samtkragen. Es war höllisch laut, die Kellner hatten ihre Freude daran, abgeräumte Teller und Gläser auf die Ablage zu knallen und frisch gespültes Besteck mit Karacho in die passenden Schubladen zu schmettern – nun, man saß in der Nähe der Essensausgabe – vielleicht war das der Fehler. Die Kellner in blauen Schürzen kebbelten sich, den Kollegen boxend und schubsend. Überhaupt herrschte ein reges Treiben, viele Japaner, Chinesen und Menschen anderer fremder Länder schoben sich am Tisch der Freunde vorbei. Die Asiaten bestellten sich meist Eisbein mit Sauerkraut oder die ofenfrische Schweinehaxe.
Das Brauhaus existiert schon seit 1838 in der Stadt am Rhein. In den holzgetäfelten Räumen hängen bis heute viele Gemälde der Düsseldorfer Malerschule – besonders eindrücklich das große Wandgemälde von Wilhelm Schreuer (1866 -1933) Im Jahr 1814 ziehen Russen in die Ratinger Straße.
Ich war dabei, als die Freunde zusammen aßen und tranken. Ich mag die Tradition in meiner Heimatstadt, fühle mich angezogen von dem Gedanken, dass Menschen gemeinsam Bier trinken und Bratwurst essen, so wie sie es schon vor 185 Jahren taten. Zu Haus bei mir hängt auch ein Bild von Schreuer – eine Dorfszene, die sich hier am Niederrhein zugetragen haben könnte. Man sieht zwei Mädchen, einen Pferdeknecht, einen kleinen Jungen, den Hund, das Pferd und ein paar niedrige Häuser. Das eine größere Mädchen mit hellem Haar und weißem Häubchen schaut sich unvermittelt zum Betrachter um. Ich hab mich in ihr schon früher immer wiedererkannt und wollte dieses Bild so gerne von meiner Tante erben. Und so kam es auch und ich bin ihr sehr dankbar.

Im Schumacher an der Ostraße, Fotografie RW November 2023

Roter Zauber

Rot Tor
Türme die Korallentiere.
Fünfmal Rot Karfunkelkopf.
Augen Apfel Zung verliere.
Blute eisenroter Topf
Hämatit, Rubinglas friere.

Steig dreimal hoch
auf mineralischen Leitern
in die Eisen des Mars,
Saturns rote Ringe zu weiten.

Rot glasierte Keramik auf rotem Kristallglas und Korallen, Fotografie RW, Sammlung RW 2023

Gesellig

Die steinalte Sophia hat ein Negativ gefunden. Sie erklärt mir dazu: »Damals saßen wir im Gasthaus Frau Holle, nicht unweit von der alten Jagdhütte. Nach langen Wanderungen im Reinhardswald bei Kassel freuten wir uns auf eine stärkende Mahlzeit. Zu zehn Freunden hatten wir uns getroffen, um nach den Spuren der frühen Waldgläsner zu suchen. Schon vor 500 Jahren wurde in diesem Gebiet, reich an Wasser und Wald, in kleinen Glashütten das grünliche Waldglas produziert. Tatsächlich fanden wir Tropfen, Kugeln und Nieren aus zartgrüngrauem Glas, die durch ihr langes Lagern im Boden irisierende Regenbogenüberzüge bekommen hatten. Nach den Farben der Glastropfen haben wir dann unsere Speisen und Getränke ausgesucht – einen hessischen Riesling, nein, keinen grünen Veltliner, obwohl er auch auf der Karte stand, dann gedünstete Forellen aus einer Fischzucht vom Edersee, dazu Rapunzelsalat mit hauchfein geschnittenen Schalotten.«
Ihre gefundenen schimmernden Glastropfen schenkte die steinalte Sophia später dem Freund, der nur einen einzigen grauen Glasklumpen im Wald gefunden hatte. Ihr waren die Funde nicht wichtig, vielmehr freute sie sich über die herzliche und lustige Runde bei Frau Holle und dachte an die vielen Märchen der Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm, in denen Freundschaften, Treue, Wanderungen und Geschwister vorkamen.
Die Geschwister in Rittersdorf, invertierte Fotografie RW, September 2023