Ankunft der Mauersegler


Du musst doch nicht weinen, nur weil die Mauersegler endlich wieder da sind, heute ausgerechnet am Walpurgistag ankommen! sagt sich die steinalte Sophia und geht vom Balkon aus in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Bevor sie trinkt, schaut sie in die Tasse und die Crema schenkt ihr ein Lächeln, da hat sie schnell ihre Rührung vergessen. Wie treu doch die Natur ist – jedes Jahr kommen nicht nur die Blüten und Blätter, sondern auch die weitgereisten Mauersegler wieder. Erst drei hat sie heute gesehen. Gestern hörte sie schon einmal ihr langgezogenes, typisches Ziepen. Was sie aber ärgert, sind die Krähen, die seit vorigem Jahr auch dieselbe Stelle am Dach anfliegen, an der die Mauersegler ihren Unterschlupf auskleiden wollen. Die Krähen aber fliegen weiter, noch über den First. Es ärgert mich trotzdem, ihre viel größeren Schwingen könnten bald die ersten Flugversuche der Jungen stören.

Kaffeetasse mit Crema-Smilie und Selbstporträt im Kaffeelöffel, Ankunft der Mauersegler am Rhein mit Krähe, Fotografien RW, 30. April 2025

Der indische Ring

Zu fünft haben wir alles gewogen. Den Durchmesser der Steine erfasst. Sorgfältig haben wir notiert, wie der gestiegene Goldpreis sich auf jedes Schmuckstück auswirkt. Wir betrachten Ringe, Armbänder und Ketten aus dem Erbe. Der indische Prinz hat einen goldenen Ring mit hoher Legierung ins Spiel gebracht. Er hat ihn von einem unbekannten Großonkel aus Mumbay. Er soll aus den 1960er Jahren stammen, obwohl der indische Prinz in ihm die traditionelle orientalische Ringform sieht, die über Jahrhunderte schon in seinem Heimatland existiert und bei Hochzeiten getragen wird. Die Zahl 800 ist außen auf der breiten Schiene punziert und die Buchstaben AW. Der indische Prinz sagt zur steinalten Sophia: Ein AllerWertester Freund soll der Ring mir sein. Drei Rubine, zwei Opale, zwei Turmaline und ein Saphir gruppieren sich um einen großen Diamanten. Dieser hat eine Scharte unter einer Krappe, er ist leider beschädigt. Trotzdem leuchtet er in der Mitte, ein Anderthalbkaräter von schönem Weiß und siehst du, wie er im Sonnenlicht funkelt? Ich weiß, dass der Onkel ihn aus einem Nachlass geschenkt bekam. Woher kommt er ursprünglich, wer hat ihn in Auftrag gegeben, war es ein Kaufmann aus Jaipur, oder ein Gelehrter aus Kolkata? Die goldene Ringschiene ist ein so schöner Blattträger, ein goldener Bogen, auf dem alle Steine Indiens versammelt sind, um den Diamanten wie in einer Krone zu tragen. Sophia meint: Oder anders – sie drehen sich wie die acht Planeten um ihn als Sonne. Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun und der Sonnen-Diamant ist mit acht Krappen gefasst.
Eine Freundin von Sophia mochte das Schwärmen um den Ring nicht. Der Gedanke, wie viele Menschen ihn schon getragen haben könnten, in welchen Situationen und bei welchen Ereignissen, ekelte sie geradezu. Sie dachte an die Briten, die als Kolonialmacht seit dem 18. Jahrhundert mit den Edelsteinvorkommen Indiens handelten. Die größten indischen Diamanten und Edelsteine zieren bis heute britische Kronen und Diademe. Eine andere Freudin aber behauptet: Der Ring hat rein gar nichts mit Indien zu tun, selbst wenn er einst dort verschenkt wurde. Dafür spricht die Punzierung 800 – im Ausland muss stattdessen 20 oder 22 Karat auf der Schiene stehen. Und AW ist das Kürzel von Albert Weißhaupt, einem bekannten Goldschmied aus Idar-Oberstein. Die Kordelverzierungen und auch die breite Schiene zeugen deutlich von einem Entwurf aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Wahrscheinlich hat man einen großen, antiken Diamanten, der beim Ausfassen aus altem Zusammenhang beschädigt wurde in diesem Ring verbaut und das in der Wirtschaftwunderzeit, in der das Protzen wieder erlaubt war. Das einzig Seltsame ist aber, dass die Punzierung außen auf der Ringschiene sitzt.

Goldring mit Edelsteinen auf dem Foto der Königskrone von Ludwig XV. mit dem großen Regent-Diamanten aus Indien. Fotografie RW, Sammlung RW, 25. April 2025

Der Heilige Hieronymus sieht das Kreuz

Im Museum Küppersmühle in Duisburg sind sehr viele Zeichnungen des Malers Siegfried Anzinger ausgestellt, alle aus dem letzten und vorletzten Jahr. So blitzen mir auf fast allen Zeichnungen meine Zahlen 23 und 24 entgegen und immer verbunden mit dem A. Der Löwe, fast auf jedem Blatt, (auch mein Sternzeichentier) ist das ikonografische Tier des Heiligen. So sagt die Legende, das der Heilige dem Löwen einen Dorn aus dem Fuß entfernte, worauf das wilde Tier sein zahmer Begleiter wurde. Ich bin sofort sehr angezogen von den vielen Zeichnungen, freue mich darüber, dass Anzinger dem Löwen eine hinreißende Mimik gegeben hat, als wenn er die verschiedenen Tätigkeiten und Verfassungen des Heiligen kommentieren wolle. Aus über 600 Arbeiten von Anzinger zum Heiligen Hieronymus sind 104 Zeichnungen auf Papier und 18 auf Leinwänden, die auch blasse Farben tragen, ausgesucht worden für diese Ausstellung. Mir scheint, dass Anzinger den Heiligen nicht nur als Gelehrten, Asketen sondern auch als Künstler sieht, fast immer hat er Papier und Stift dabei, sicher um zu schreiben, aber vielleicht auch um zu zeichnen. Und manchmal verlässt der Heilige die Askese und trinkt Wein, auf einer Zeichnung liegt vor ihm die leere Flasche. Hieronymus begegnet auch Christus als Person, der am Fensterkreuz (!) hinter ihm stehend die Wundmale zeigt, der Heilige sieht ihn nicht, bleibt über seinen Studien, seine Bücher auf einem Totenkopf aufgelegt. Auf einem anderen Bild geht Hieronymus lesend hinter einer Mauer entlang, im Vordergrund ein Garten, in dem Christus der Frau am Brunnen erscheint. Der Auferstandene hebt seine fast brennende Hand gegen die Verschleierte – Noli me tangere. Im Blatt oben sind Löwe und Heiliger im Wald und entdecken erschrocken das kleine Kruzifix zwischen den Ästen. Wie die Erscheinung des heiligen Hubertus, der das Kreuz im Geweih des Hirschen sieht.

Geronimo, Siegfried Anzinger, Musum Küppersmühle Duisburg, bis 4. Mai 2025, Fotografie RW April 2025

Das Glück im Frühling

Da zeigte mir mein Freund auf der Strasse einen Fund. Schau mal, die sechs Augen. Auf dem grauen Pflaster lag ein kleiner, weißer Würfel mit der Sechs auf der Oberfläche! Ich fotografierte ihn dreimal. Von weitem, von näher und von ganz nah.
Am Tag danach fuhren wir nach Köln, wollten uns Ausstellungen von Freunden anschauen. Die Autofahrt verursachte Stress, warum auch gerade an einem Samstagnachmitag auf die Autobahn, ärgerten wir uns und gerieten in sehr schlechte Laune. Als wir schließlich durch das Tor der Galerie gingen, begegneten wir der Malerin – wir hatten uns nicht verabredet. Das war ein Glück und wir freuten uns ob dieses zufälligen Zusammentreffens. Sie hatte eine Journalistin im Schlepptau, die mir am Tag zuvor auf die mailbox gesprochen hatte, ob sie zu mir ins Atelier kommen dürfe mit mehreren Personen. Danach hörte ich aber nichts mehr. Nun war die Journalistin also stattdessen nach Köln zu unserer Malerin gefahren mit drei weiteren Kunstinteressierten. Wir lachten alle und machten Beweisfotos. In der hellen Galerie sahen wir die schönen Gemälde von Geröll, Steinen, Wasser, Licht und Schatten.
Später besuchten wir die Betonkirche St. Gertrud von Gottfried Böhm. Darin hatte eine Künstlerin fahrbare Gestelle mit geheimnisvollen, merkwürdigen Aufbauten installiert. Sehr beeindruckend nehmen diese die Architektur von Gewölben und Fenstern bis zu den Beichtstühlen auf. Dort trafen wir einen weiteren Künstlerfreund mit seiner Familie, der zufällig da war, weil sein Vater in der Nähe der Kirche wohnt. Und – als wir uns verabschiedeten, sprang eine junge Frau auf meinen Freund zu Sie kennen mich wohl nicht mehr? Es war eine ehemalige Studentin der Malerei, die sehr große Stücke auf meinen Freund als Lehrer hielt.
Mit gutem Gefühl und ziemlichem Hunger fuhren wir anschließend nach Zons in unser Lieblingslokal direkt am Stadttor und aßen den ersten Spargel des Jahres. Vom Frühlingsspaziergang nach dem Essen, rund um das Städtchen, stammt das Foto oben mit den schön gebogenen Schatten der Lindenbäume im Graben vor den Stadtmauern.

Zons im Frühling, Fotografie RW 5. April 2025

Gediegen Silber an einem besonderen Symmetrietag

Gediegen Silber in größeren Klumpen kommt in der Natur eher selten vor. Meist ist es eher eingewachsen in Erzgestein, aus dem es dann gewonnen werden muss. Elementares Silber findet man jedoch auch als kleine Körner und in Form von zierlichen Ästchen oder Drähtchen, dendritisch gewachsenen Kristallen. Der indische Prinz besitzt solch ein Stück, ausgeformt wie eine winzige graue Feder, gefunden in Batopilas, Chihuahua, Mexiko. Es ist berechnet worden, dass das globale Silbervorkommen in etwa 25 Jahren abgebaut sein wird. Allerdings wird das schon in Technik und Industrie verarbeitete Silber auch recycelt, so dass die natürlichen Vorkommen geschont werden könnten.
Bei zwei jungen Goldschmiedinnen hat der indische Prinz alte Silberteile einschmelzen lassen und erhielt einen Klumpen von 57,93 Gramm. Die Form des schweren und großen Nuggets wurde durch die Mulde des Kohlebeckens und den Zufall des Schmelzvorgangs geprägt. Anschließend wurde der Klumpen anpoliert. Obwohl ein ganz wenig Gold und Kupfer in den Stücken vorhanden gewesen war, die der Prinz zum Schmelzen ausgewählt hatte, glänzt das gewonnene Stück nun wunderbar silbrig hell und wenn man es im richtigen Winkel betrachtet, kann man ein Mondgesicht erkennen.

Großes Silbernugget auf gebrannter, aber unglasierte Keramik, mit kleinem Ästchen und einem himmelblauen Glasklumpen, Sammlung RW, Fotografie RW am Symmetrietag 25. 3. 25

Die Zeit ist kürzer als früher


Wie schön sind die roten Lederschuhe der Käthe-Kruse-Puppe, meine Schwester nannte sie Gisela. Hat unsere Mutter ihr Kleidchen genäht, vielleicht den Mantel auch? Die Söckchen sind wohl verloren gegangen. Die kostbaren Puppen haben uns in der Kindheit begleitet, seit dem wir vier und fünf Jahre alt waren. Wir bekamen sie von einem Geschäftsfreund des Vaters geschenkt. Zunächst wurden sie auf den Schrank gestellt und ganz selten durften wir mit ihnen spielen. Einige wurden von der Schwester aufbewahrt und bei unserem Besuch im Jahr 2021 zeigte sie uns Puppen und Stofftiere. Meine Puppe hieß Claudia und die der jüngeren Schwester Hans. Hans kam aber erst viel später dazu, als wir schon in ein kleines Häuschen umgezogen waren und der Bruder geboren wurde. Meine Puppe existiert nur noch als Kopf mit Schildkrötleib und kann nicht mehr stehen. Ich hatte ihr auch die Augenbrauen und den Mund nachgemalt, die Haare verschnitten.
Wenn ich abends zu Bett gehe, habe ich das Gefühl, als wäre der Tag, obwohl angehäuft mit Ereignissen,  wie jeder andere gewesen. Die Tage, die Abende vergehen, ihr Wechsel wird immer schneller. Jede Nacht ruft der Eulenvogel ein regelmäßiges huh und huh, worüber ich mich freue, wenn ich im Dunkeln liege. Es ist eine Verlässlichkeit im Ablauf der Ereignisse, erschreckend und tröstlich zugleich. Jetzt knospen die Bäume wieder und es ist schon hell, wenn ich morgens das Bett verlasse. Eben sah ich eine riesige Pollenwolke vom blühenden, alten Walnussbaum abheben. Zwei Tauben sitzen auf seinen Ästen in der Sonne. Was soll ich nur mit den vielen gespeicherten Bildern machen?

Puppe Gisela in Reptich, Fotografie RW, 2021

Diana


Der indische Prinz hat seine Vorliebe für Glypten entdeckt. Jetzt besitzt er drei geschnittene Objekte, einen goldenen Ring mit einer Flora, rund herum besetzt mit Diamanten, eine Brosche mit einem kleinen Amor, an einen Stein gekettet, gerahmt in filigranen Goldblüten und seit neuestem eine Diana, umgeben von Gold und Perlen. Flora und Amor sind antike Muschelgemmen – wobei der Begriff Muschel hier falsch ist und er wird immer falsch angegeben, selbst in Museen: sie sind zwar aus Molluskelschalen, Weichtierschalen, aber es ist das Haus einer Meeresschnecke, woraus geschnitten wird – zum Beispiel die Eustrombus gigas (große Fechterschnecke) oder die Cypraea, (Kaurischnecke). Man sieht es den Gemmen an, wenn sie aus Molluskelschalen geschnitten wurden, auf Grund der deutlichen Wölbung des dünneren, rotorange- braunorangefarbenen Untergrunds und darauf dick und weiß die erhabenen Motive.
Der indische Prinz hat beim Juwelier sofort erkannt, dass die Diana eine Kamee aus Lagenstein ist, eben aus Achat gefertigt wurde. Der dunkelbraune Untergrund ist glatt poliert, auch durchscheinend wie die Schneckenschale. Mit der 10-fach-Lupe konnte er feine rote Pünktchen im Braun sehen, wie er sie von Achaten kennt. Nun fragt er sich, wie der Steinschneider dazu kommt, die Mondsichel in der anderen Steinfarbe, wie der des Rosenquarzes, zuzulassen. Er weiß, dass es tatsächlich Kameen gibt, die aus mehreren Steinen geklebt werden. Oft wird das weiße Motiv auf schwarz gefärbtem Chalzedon fixiert, dann Onyx genannt. Man müsste jetzt unter dem Mikroskop prüfen, ob die kleine rosa Mondsichel aufgeklebt wurde oder aus der dritten Lage des Achats geschnitten wurde, überlegt sich der indische Prinz. Unter dem Mikroskop sieht er zu Hause dann deutlich, dass die rosa Schicht direkt aus dem Weiß des Halbprofils folgt und sich fein rosa ausbreitet. Er freut sich sehr, denn diese Idee des Steinschneiders, die rosa Schicht als Motiv für den Mond der Diana zu verwerten, findet er genial. Er freut sich auch über das fein herausgeschnittene, schöne Gesicht der Göttin mit dem griechischen Profil (nach Winckelmann). Und er sich freut, dass die Juwelenhändler weniger Ahnung haben als er, die sich bei dem Stück nicht sicher waren, ob aus es Muschel oder Stein gefertigt und die rosa Mondsichel geklebt sei….

Gemme in drei Lagen aus Achat geschnitzt, Motiv der Diana, mit Goldrand und Perlen gefasst, Sammlung RW, Fotografie RW, Februar 2025

Wohin geht die Reise?

Heute ist der 23. Tag des zweiten Monats im Neuen Jahr. Das erste Schiff, das ich heute morgen vorbeifahren sehe, heißt Renate. Das ist die Wiedergeborene. Ein Name, der in den Nachkriegsjahren noch beliebt war und heute selten geworden ist. Das Schiff, das etwas weiter rheinaufwärts bei Bad Godesberg vorbeifuhr, es war am 9. Februar, heißt Inge, ein altmodischer Klang. «Inge muß in die Welt – Erlebnisse eines jungen Mädchens unter den Eingeborenen der Sundainseln» dieses Buch haben wir als Kinder mit Schaudern gelesen. Darin war noch von Menschenfressern die Rede. Erstausgabe von 1928.
Der Fernsehabend heute am Wahltag ist voll von Hochrechnungen, Statements und Statistiken. In Sachsen haben über 40% die AFD gewählt.

Schiffe auf dem Rhein, Fotografie RW 23. 2. 2025 und 9. 2. 2025

Daisy and Pansy

Tiefrote Granate habe ich hier, schwankend zwischen Pyrop, Almandin und Rhodolith, je nach mineralischer Zusammensetzung blutrot, bis braunrot, dann aber auch purpurot bis violettrot, je nach Eisen- oder Mangnesiumgehalt. Hier sind sie in altertümlichen Schmuckstücken verbaut, es sei böhmischer Granat, sagte der Antiquitätenhändler. Auf unedlem Metall montiert, genannt Tombak, eine Kupfer-Zinklegierung, manchmal vergoldet. Das Stiefmütterchen hat es mir angetan. Und dazu kam noch die Blüte mit sechs petals, ungewöhnlich, die allermeisten Blüten haben fünf Blätter. Und ich nenne sie Pansy und Daisy. Ich verbaue sie in meinen Arbeiten. Gerade modelliere ich mit Ton – drei oder vier Köpfe hab ich schon fertig… und einen Bären mit ausgebreiteten Armen, ebenso einen Zottelgeist ohne Arme aber mit fächerartigen Auswüchsen auf Taillenhöhe. Darauf lege ich Korallen, Perlen oder schöne durchsichtige Kristalle. Gestern formte ich drei winzige Köpfchen, einen davon will ich in Silber abgießen lassen und heute wurde ein ein Eulenkopf fertig und zum Schluss ein Dreibein mit sehr runden Augenhöhlen. Einige Tonfiguren kratzte ich mit einem Krallen-Werkzeug, so entsteht Fell oder Feder auf ihrer Oberfläche. Ob ich sie alle braun glasiere? Ein Braun wie ein dunkles Zucker-Karamel. Karfunkel, carbunculus, glühende Kohlenfunken, Stiefmütterchen und Butterblume, Viola, Gänseblümchen, Heckenrose, Hagebutte, Granatapfel.

Zwei alte Granatschmuckstücke, Fotografie RW, 13. Februar 2025

Frost und Maulwurf


Die Erde auf dem Friedhof von Kloster Knechtsteden ist gefroren. Die Maulwürfe haben trotzdem fast vor jedem kleinen Grabstein der verstorbenen Mönche und Kriegstoten einen respektablen Haufen aufgeworfen. Unter der Erde ist es wohl wärmer. Die Hügel wirken so frisch, sie sind jedoch steinhart und fest gefroren – ich konnte nichts losklauben.
Es kommt so manches an die Oberfläche und leuchtet dann auf, da es lange verborgen war. Seltene oder gewöhnliche Steine, kleine Fragmente von Knochen, ein Ring, ein Knopf, eine kleine Perle von einem Rosenkranz, ein Abzeichen aus Metall, eine Scherbe aus Porzellan, ein Henkel aus Blech und ein Stück Horn von einem Messergriff.
Heute weiß ich, dass ich Dinge liebe, besonders die sehr alten, die schon durch so viele Hände und Jahre gewandert sind. Sie sprechen zu mir und ich nehme sie mit nach Hause, wasche sie, betrachte sie unter der Lupe und bereite ihnen einen würdigen Platz auf einem Sockel, den ich eigens für sie bauen werde.

Friedhofserde von Kloster Knechtsteden, Fotografie RW, 2. Februar 2025