Korrespondenzen XXIX

Blaue Schönheiten
Mit Kobaltblau und einem feinen Pinsel hat der Porzellanmaler einen Vogel auf den Scherben aufgetragen. Er zeichnete unter den Schnabel einen Kringel in das Gefieder, für europäische Augen ein großes G. Umgeben von Chrysanthemen, Gräsern und  Blättern sitzt der Vogel bei einem skelettierten Stein, der sich wie ein Bogen öffnet. Der Bildausschnitt zeigt nicht die ganze Pracht des Tellers. Neben Chrysanthemen findet man noch andere Blumen, Kirschblütenzweige, Felsen und Wasser. Der Porzellanmaler arbeitete vor circa dreihundert Jahren sicher und routiniert an dem Dekor, wie viele Teller an einem Tag er wohl bemalte? Vielleicht sogar in einer Manufaktur in Jingdezhen? Auf der Rückseite des Tellers hat er mittig ein schönes Schriftzeichen angebracht und noch weitere Blumenranken auf den Rand.
Im Rijksmuseum in Amsterdam finden sich zwei Fayence-Teller mit fast identischem Dekor, vereinfacht zwar, aber alle Motive sind da. Sie sind etwa zur gleichen Zeit (1685 – 1710), aber in Delft entstanden. Die Niederländische Ostindien-Kompanie hatte mit ihren Schiffen die Porzellane aus China mitgebracht. Die Dekore wurden von den Delftern kopiert, aber auf Irdenware. Erst 1708 hat Böttger das Porzellan in Dresden entwickelt. Die Chinesen kennen es schon mindestens zwei Jahrtausende.
Die Tulpe war einst ein exotisches Gewächs aus dem Osmanischen Reich und später hat bekanntermaßen der Handel mit ihrer Zwiebel in den Niederlanden des sogenannten Goldenen Zeitalters zu großen Turbulenzen geführt.
Die oben abgebildete Tulpe hat ihre Pollen wie ein kostbares Pigment auf dem Blütenblatt ausgeschüttet. Vielleicht sollte man damit einmal malen.
Für meinen Bruder GJMW, der in diesen Tagen Geburtstag feiert.

Porzellan-Teller (Detail) mit blauer Unterglasurmalerei  aus der Kangxi Zeit, Sammlung RW, 2019, erworben in der basedonart gallery, Düsseldorf
Tulpe mit Pollen, invertierte Fotografie RW, 2018