Zeus als Kollege

Natur, Kunst und deren Wissenschaften, im besonderen ästhetische Phänomene, Probleme der Wahrnehmung, Mineralogie, Fotografie, Traum und Vergänglichkeit sind Bereiche, denen ich mich leidenschaftlich widme.
Meine älteren Themen – Raum und Zeit, Urknall, Sterne, Galaxien und Schöpfungsmythen – kamen mir heute angesichts des malenden Zeus in den Sinn. In meiner Bibliothek sehe ich an den Erscheinungsdaten der Fachliteratur, wie schnell alles veraltet. Im Netz findet man zu jedem Schlagwort Informationen. Aber sie sind nicht überprüfbar. Richtiges von Falschem zu unterscheiden wird immer schwieriger.
Materie besteht nicht aus Materie. Wenn man immer tiefer in die Welt der Atome taucht, ergibt sich ein faszinierender Gedanke. Würde man das Nichts zwischen Atomhülle und Atomkern wegnehmen, wäre alles unvorstellbar klein. Beispielbild von Dr. Josef M. Gaßner ist das Reiskorn als Atomkern im Fussballstadion als Atomhülle. Das Nichts dazwischen ist also sehr groß. Auch die kleinsten subatomaren Bausteine, die unteilbaren Elementarteilchen sind aus nichts anderem mehr zusammengesetzt. Und doch ist Masse nachweisbar. Es sind die Bewegungsenergien, die alles zusammenhalten und diese Energien kann man in eine Masse übersetzen. Sehen können wir das alles nicht und so wie ich es verstanden habe, sind die Phänomene nur in geschlossenen Systemen messbar.
Das große NICHTS scheint ein schier endloser Raum von MÖGLICHKEITEN.
In der Erforschung des Kleinsten finden wir neue Antworten auf das Größte und umgekehrt. Das Universum dehnt sich seit dem angenommenen Urknall aus. Vorher hat es sich ungeheuer komprimiert. Ist das ein in Ewigkeit dauernder Prozeß, der sich immer wiederholt? Das wäre ein tröstlicher Gedanke, dass alles bleibt und kreist.
Wieso hat sich gerade auf unserem Planeten eine Spezies entwickelt, die Bewusstsein hat, sodass sie fragen kann: Wo ist das vollkommen Andere, das wir nicht denken können? Bewusstsein und Seele sind durch die Neurowissenschaften längst in Frage gestellte Begrifflichkeiten. Selbst wenn Philosophie, Psychologie, Medizin, alle traditionellen und modernen Naturwissenschaften und – Religionen sich zusammentäten, gäbe es zwar immer neue Antworten, aber auch immer wieder neue Fragen.

Oben abgebildet ist eins meiner Lieblingsbilder – Zeus/Jupiter als Künstler erfindet auf der Leinwand Falter, dunkle und helle, zugeordnet zu Tag und Nacht. Der Tag ist durch einen Lichtbogen (Regenbogen) von der Nacht geschieden. Hermes/Merkur als Vermittler zwischen Himmel und Irdischem gebietet einer Frau (als Tugend bezeichnet) Schweigen und Geduld. Sie ist üppig mit Blütenkränzen geschmückt und wartet wohl darauf, dass die Schmetterlinge ihre Blüten befruchten. In der Ikonographie wird die Psyche mit Schmetterlingsflügeln dargestellt, also könnte Zeus hier auch Psychen, Seelen malen. Andere Interpretationen beziehen sich auf alte Emblembücher, die Dossi als gebildeter Künstler kannte. Zeus verkörpert die Schöpferkraft, die ohne Inspiration nicht zur Vollendung kommt. Hermes bedeutet deswegen der Tugend, dass sie lieber schweigen möge. Sowohl die Falter als die Inspirationen, wie Mercurio als das Quecksilber sind sehr beweglich und nicht leicht zu halten. Eine Kunsthistorikerin hat in den 60er Jahren das Ganze als planetarische Konjunktion von Jupiter und Merkur im Zeichen der Jungfrau gesehen, die sich auf die Lebensdaten von Dossi beziehen sollen.
«Zeus, Hermes und die Tugend», gemalt von Dosso Dossi, um 1524, Sammlung Lanckoroński auf dem Wawel, Krakau, früher Kunsthistorisches Museum Wien, im Jahre 2000 restituiert.
Ich empfehle die Vorlesungen von Dr. Josef M. Gaßner, die er in seinem Web-Kanal hält.