Verwirrte Sinneseindrücke

Es ist so sonderbar, nach zwei, drei Tagen Abwesenheit kamen die Mauersegler wieder. Erst zwei Vögel, dann vier, dann die freche, schrill rufende Horde von mindestens zehn Tieren. Sie setzten ihre rasanten Flüge vor der Rheinfront des Hauses fort, in großen Bögen kreisend, sich verfolgend. War es eine kurze Exkursion, um die Jungen auf den großen Abflug vorzubereiten? War es der Temperaturwechsel in den vergangenen Tagen? Hatten sie noch Jungtiere im Bau hinterlassen? Angeblich können die Vögel in einer Art Hungerstarre einige Zeit ohne Nahrung auskommen.
Waren die Vögel gar nicht weggeflogen, habe ich mich in meinen Beobachtungen getäuscht? Während ich schreibe, sehe ich sie doch so aufgeregt am schönen dunstigen Sommerhimmel fliegen, was wollen sie, was bedeutet das alles? Dann urplötzlich sind sie wieder weg, die Schreie nicht mehr zu hören.
Die Zeit, ihre Flüge genau zu beobachten, müsste ich mir nehmen, alles genau zu notieren: Anzahl, An- und Abflug, Abwesenheit, Richtungen, Rufe.
Zur Zeit lese ich wieder in den «Schriften zur Malerei, Photographie und Naturwissenschaften» von August Strindberg. Den ersten Text in dem Büchlein «Verwirrte Sinneseindrücke» werde ich noch einmal genau studieren: Strindberg bescheibt Irritationen an seiner Wahrnehmung, (besonders der Perspektive!) seinen Gemütszuständen, seinen Empfindungen, seinen Wach- und Nachtträumen rund um und in Versailles und Paris. «Es ist so beruhigend, alles erklären zu können! Das vertreibt die Furcht vor dem Unbekannten!” S. 11 «Mich packt die Angst, und um sie zu bekämpfen, kehre ich zu meinen philosophischen Gedanken zurück, rufe mir analoge Phänomene in Erinnerung, die sich so oft wiederholen, ohne daß man den Grund entdecken könnte.» S. 12

Blick aus dem Thalys auf der Fahrt nach Paris, Fotografie RW 2018
«Verwirrte Sinneseindrücke, Schriften zur Malerei, Photographie und Naturwissenschaften» von August Strindberg, Hrsg. von Thomas Fechner-Smarsly, aus dem Schwedischen und Französichen von Angelika Gundlach, Verlag der Kunst, 1998