Treue in Ewigkeit

Wie kann das sein – von so weit her kommen sie – sie sind wieder da!
Gerade sah ich beim halben Aufsehen einen Mauersegler in die alte Lücke über unserem Rheinfenster fliegen. Es regnet in Strömen, es ist kühl, hoffentlich haben sie es warm und trocken in ihrem Unterschlupf und können sich von ihrer langen Reise erholen. So unglaublich, dass sie immer wieder genau diesen Platz unter dem einen Dachvorsprung gegenüber km 742 finden. Letztes Jahr kamen sie am 5. Mai, dieses Jahr also schon heute. Sie fliegen aus Afrika herbei, südlich des Äquators, über die Alpen, für sie kein Hindernis. Da kurven sie in der Luft – jetzt zwei – und holen sich die Insekten, die sie hier am Rheinufer reichlich finden. Vielleicht ist das Pärchen, das ich eben sah, vor zwei oder drei Jahren hier geschlüpft…
Die «Treue» der Tiere, ihr Orientierungssinn, die Verlässlichkeit, ihre Flugkünste, ihre «Welterfahrenheit», ihr «Mut», all das erweckt in mir ein Gefühl, das ich ähnlich in Betrachtung des feierlichen Jungen hatte, dessen Porträt ich im Rijksmuseum sah. Im Grunde hat das Bild nichts mit den Mauerseglern zu tun, aber es ist ein verwandter Emotionsauslöser wie die Ankunft der Vögel heute. Die Botschaft des Bildes ist die Liebe der Geschwister ter Borch, die ihren im Krieg gefallenen Bruder Moses posthum ein großes Andenken malen. Bei dem zarten, knapp über Zwanzigjährigen liegt der treue Hund, der den Betrachter mit fast menschlicher Teilnahme anschaut. Die zahlreichen Gegenstände, Pflanzen und Tiere im Bild zeigen in rührender Vielfalt Vergänglichkeit, Überwindung des Todes, Ehre und Mut, Demut und Weisheit.

Memorial Portrait of Moses ter Borch, Gerard ter Borch (II), Gesina ter Borch, 1667 – 1669, Rijksmuseum, Amsterdam, http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.309349