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Am Morgen beobachtete ich zwei Distelfinken in den alten Platanen am Rhein. Sie flogen mir immer ein paar Meter voraus von Baum zu Baum, knusperten in den verkrüppelten Astenden nach Insekten. Gegen das Licht war es schwierig, sie zu fotografieren. Sie taten mir nicht den Gefallen, ruhig sitzen zu bleiben. Und doch sind sie beide auf dem Bild. Wer findet den zweiten Vogel?
Jetzt denke ich an den jungen Carel Fabritius, der 1654 Het Puttertje malte, den Distelfink, auf einem grauen Holzkästchen sitzend, angekettet. Meine Stieglitze sind frei, am Abend turnen sie zu fünft, acht in den mit zarten Blättchen besetzten Silberpappeln. Zum Schreiben setzte ich mich auf die andere Seite des Hauses auf den Gartenplatz. Hier sehe ich eine Amsel, die wild in einer Schale badet, ein Buchfink jubiliert mit immer gleichem kräftigen Träller, ein Rotkehlchen zwirtelt sehr zart und eine weitere Amsel erfindet eine neue Melodie. Die Singdrossel hat auch angesetzt, schweigt dann aber noch, sie kommt wohl später besser zur Geltung. Aber doch – jetzt – beginnt sie so kunstvoll, dass es mir die Sprache verschlägt. Verzeiht, ihr Tauben, Meisen, Elstern und Krähen, ihr Spechte und unsichtbaren Kleiber und lieber Fites, dass ich euch nur am Rande erwähne.

Stieglitze am Rhein, Fotografie RW, 2021