Kleiner Fuchs


Ein wenig ruppig sah der kleine Fuchs aus, der sich auf den Rheinwiesen auf einem Hahnenfuß niederließ. Da hab ich aber schon üppigere Exemplare gesehen, meinte die steinalte Sophia zu sich. Sie freute sich trotzdem sehr über diese Begegnung mit dem Falter – ein kleines Zeichen von Seele und Auferstehung. Auf Grabsteinen des alten Golzheimer Friedhofs hatte sie das Motiv des Schmetterlings schon häufiger in Stein gemeißelt gesehen.
Nach langer Zeit war sie zum ersten Mal wieder am Ufer des Rheins unter der Kniebrücke, um bei Niedrigwasser nach Steinen und Scherben zu suchen. Schon bald fand sie in den riesigen Kiesterrassen eine ungewöhnliche Oberflächenzeichnung, keinen Kiesel, sondern eine graue Steinzeugscherbe mit einem dickreliefierten Weinblatt und kleinen eingestochenen Pünktchen als Dekor. Vielleicht von einem Westerwälder Krug, dachte sie, wie alt das Stück wohl ist, wer hat es gemacht, wer daraus getrunken, wie kam es zu Bruch? Nun wollte sie dazu eine kleine Geschichte schreiben, gerade heute, am Todestag des Vaters.

Kleiner Fuchs am Rhein, Fotografie RW, 25. März 22