In hoher Erwartung


Zwischen den Jahren wurde ihr Unmut immer größer. Das Jahr 2023 ist mein Jahr, hatte sie groß herausposaunt. Ich sammle die Zahl 23 seit Jahrzehnten. Der Jahreswechsel von 22 auf 23 sollte also angemessen gefeiert werden. Es ist meine Zahl, ich habe sie besetzt mit meinem Traum und meiner Sammlung. Je näher das Datum des ersten Tags des Jahres 2023 kam, um so trotziger wurde sie. Ich mache gar nichts, überhaupt nichts, es wird auch nicht gefeiert. Ich kann es nicht ertragen, dass jeder, aber auch jeder Tag des nächsten Jahres die Zahl 23 trägt. Sie beschloss, sich auf die Tage der Monate zu konzentrieren die zweimal die 23 tragen: 23. Januar 23, 23. Februar 23, 23. März 23 und so fort. An diesen Tagen würde sie jeweils eine kleine 23er-Arbeit machen, oder ihnen eine schon vorhandene widmen. Eine Ausstellung sollte vorbereitet werden. Mehrere kleine Objekte mit goldenen 23-Zahlen wollte sie fertigstellen und gesammelte Texte mit eben dieser Zahl zu Wandbildern vergrößern. Am 23. Mai 23 würde sie im ortsansässigen, altehrwürdigen Künstlerverein ein paar dieser Arbeiten zeigen. Zu ihrer Überraschung bekam sie kurz vor Jahresende von einer Freundin einen kleinen Spielstein aus Holz zugeschickt, der die 23 in roter Farbe trug. Er war kostbar in einem kleinen schwarzen Schmuckkästchen verpackt. Der Anblick des Spielsteins beruhigte sie ein wenig: Ich nehme ihn als Zeichen, dass im nächsten Jahr die Dinge sich auch dann ereignen, wenn ich nichts tue.

23-Spielstein, Geschenk der Freundin GR, Fotografie RW, Dezember 2022, mehr über die 23 auf Ruth23Weber.de