Il Tempo e la Grotta della Vergine

Auf der byzantinischen Votivkrone von Leo dem VI steht ein geschnitzter Bergkristall aus römischer Zeit. Der Bergkristall weist architektonische Elemente auf, ähnlich einem Kapitell. Vorne ist er wie aufgebrochen, hat eine Öffnung. Darin steht eine Madonnenstatuette aus dem 13. Jahrhundert gleichsam in einer leuchtenden Grotte. Hat sie den Mund geöffnet, wie genau ist ihre Haltung? Sofort möchte ich nach Venedig fahren und in der Schatzkammer von San Marco mich von der Schönheit dieses Wunders überzeugen. Bei der Recherche fand ich heraus, dass ich die Schatzkammer virtuell betreten kann und siehe da, schon im ersten Raum steht die Grotta della Vergine im hinteren Teil einer großen Vitrine. Man kann sogar das Objekt nah heranzoomen. Hier konnte ich nicht nur die beiden schönen Vögel auf dem Kronenrand, die Emailmalerei, die Almandine und Perlen zwischen den runden Bildern genau studieren, sondern auch Marias Gesichtsausdruck und ihre Haltung sehen. Nein, sie hat den Mund nicht geöffnet und ihre Hände hat sie erhoben, um den Betrachter mit offenen Armen zu empfangen. Die Entstehungszeit von Quarzkristallen dauert unter Umständen 40.000 bis Millionen Jahre, wie klein scheint mir dann der Zeitraum, den die drei Bestandteile des Objektes umfassen. Die Abbildung der Grotta della Vergine fand ich im schönen Buch Anton Legners über den Bergkristall.

Anton Legner «Faszination Bergkristall», Greven Verlag 2021
http://www.meravigliedivenezia.it/de/venezia-media/VR/tesoro03/index.html
http://www.meravigliedivenezia.it/de/virtuelle-objekte/TSM_077.html