Eine Zeichnung von Rubens

Er ist tot, der Kopf fällt nach hinten, der Mund ist leicht geöffnet, die Nase spitz geworden. Adonis‘ Kopf wird gehalten von dem dahinter sitzenden Amor, dessen Trauer Rubens so beeindruckend in wenigen Strichen festhält. Sein Kinn berührt fast die Stirn des Toten. Er ist ihm viel näher als Venus, die ihren verstorbenen Geliebten in edler, antikischer Schwermut betrachtet. Sie stützt ihren Kopf in ihre Hand, ein Zeichen von Distanz (in der Zeichnung betont durch den sichtbaren Handrücken und Unterarm), keine tränenreiche Auflösung angesichts des endgültigen Abschieds.
Aber jetzt blickt man weiter nach oben, hier sind noch einmal die Köpfe von Adonis und Venus gezeichnet, ist die Szene des Betrachtens wiederholt, in ganz reduzierten Strichen. Als hätte Rubens bemerkt, dass die Venus zwar schön, aber nicht innig gelang. Oben ist zwischen den beiden Profilen der Liebenden eine zwingende Beziehung entstanden, gleichsam verbunden in einer Binnenfigur. An dieser Stelle entsteht ein solches Klagen und Weinen, ein so tiefes Trauern in den wenigen Strichen, dass wir ganz überwältigt waren, als wir die Zeichnung letztes Jahr in Frankfurt in der Rubensausstellung sahen.

Rubens, Venus um Adonis trauernd, Feder und braune Tinte, 30.6 x 19.8 cm, 1608-1612 – National Gallery of Art, Washington, Alisa Mellon Bruce Fund
Rubenszeichnung, Fotografie RW, 2018,
Ausstellung RUBENS, Kraft der Verwandlung, Städelmuseum, Frankfurt 2018