Ein Fenster mit Bernstein, Milchquarz und Dendriten

Das schlichte Fenster war aufgefallen. Der bernsteinfarbene Rand und das milchige Innenglas gefielen dem Kirchgänger am frühen Nachmittag. Der Versuch es zu fotografieren gelang nur mäßig. Die Perspektive des Fotos konnte er im Bildbearbeitungsprogramm minimal korrigieren. Als er die Mitteltöne des Abbildes im Kontrast etwas hervorhob, fielen ihm die Schattenrisse eines Gitters auf, die sich hinter dem Milchglas abzeichneten. Er sah einen Anker, zwei fliegende Schwalben und ein gespiegeltes Blatt auf geschwungenen Bögen. Wie satt die Novembersonne das Gelb erwärmte! Er spiegelte das Bild und stellte ein schiefes Paar zusammen.
Der Kirchgänger überlegte, ob sein Foto durch das Umwandeln in einem Bildbearbeitungsprogramm an Wahrheitsgehalt verlieren würde und ob es als Print sich weiter verwandeln und dann, wenn es gedruckt in einem Buch auftauchen würde, ein ganz anderes Medium wäre. Dies war behauptet worden und ein Vergleich wurde gezeigt und alles stimmte. Da ging er am nächsten Tag zurück in die Kirche und betrachtete das Fenster erneut.

Schlichtes Fenster in der Kirche St. Peter und Paul in Ratingen bei Düsseldorf
Fotografie RW, 8. November 2022