Dunkler Turmalin

Ich könnte mir vorstellen, dass Adalbert Stifter nur den schwarzen Turmalin kannte, den Schörl. Seine Erzählung Turmalin beginnt mit den Worten: «Der Turmalin ist dunkel, und was da erzählt wird, ist sehr dunkel.»
In der Geschichte finden wir schon gleich zu Anfang sehr viele Hinweise auf Dunkelheit oder Helligkeit. Das Zimmer des Rentherrn ist dunkel, auch das Zimmer seiner Frau hat dunkle Vorhänge, aber es tauchen hier schon Bilder des Hellen oder Helleren auf: «… auf das glänzendste vom Staube rein gehalten war…», Spiegel und Silber.
Das weitere Zimmer der Frau, in dem neben ihrem Bett auch das Bett des Kindes steht, ist hell. Schneeweiß und weiß sind hier die Farben.
Dem Turmalin wird in esoterischen Kreisen nachgesagt, besonders dem schwarzen, dass er Unheil, Negatives abwenden kann. Trotzdem steht er in Stifters Erzählung eher für das unheimlich Dunkle, so wie auch im Bild der schwarzen Dohle, der Gefährtin des missgestalteten Kindes, wie wir im zweiten Teil der Erzählung erfahren. Nun hausen Vater und Tochter verlassen in einem Kellerloch ohne Licht und Luft, die Fenster vergittert und verdreckt.
Der Turmalin scheint verborgene Kräfte zu haben. – Piezoelektrizität.
Er kann sich aufladen, so dass er leichte Dinge an sich ziehen kann. Aschetrecker heißt er dann. Zieht er das Unheil an?
Das Unheil in der Erzählung wächst wie durch eine magische Anziehungskraft, erfasst den Rentherrn um so mehr nach dem Verschwinden seiner Frau.
Ein Wandel in der Farbe ist auch eine Eigenschaft des Turmalin. – Pleochroismus. Der Kristall kann je nach Betrachtungsrichtung die Farbe wechseln.
Die Menschen in der Geschichte ziehen das Unglück an, verwandeln sich zum Neagitven gerade zu rhythmisch, viermal in fast identischem Ritual erniedrigt sich der Rentherr vor Dall, dem Verführer seiner Frau.
Verschwinden der Personen – nach dem Verschwinden der Frau/Mutter verschwinden Vater und Tochter in Krankheit und Dunkel.
Stumm werden – das Kind hat nie richtig sprechen gelernt, es beherrscht zwar Sprache und Schrift, versteht aber den Sinn des Gesprochenen und Geschriebenen nur schwer. Ist wie die schwarze Dohle nur eine Nachplapperin.

Die Turmaline auf dem Beitragsbild sind Exemplare aus meiner Sammlung. Ein geschliffener Turmalin mit Pleochroismus zwischen Rot und und einem sehr, sehr blassen Gelbgrün befindet sich ebenso in meiner Sammlung.
Der grüne Turmalin heißt Verdelith, der rosafarbene Turmalin Rubellit, der braune Turmalin Dravit, der blaue Turmalin Indigolith, den grünen mit dem rosa Innenleben nennt man Melonen-Turmalin. Achroit heißt der farblose. Schon im 18. Jahrhundert wurde wohl der farbige Turmalin auch nach Europa importiert.