Die Achatschale

Das Kunsthistorische Museum Wien hat in seiner Schatzkammer (WS XIV 1) eine Achatschale aus dem 4. Jahrhundert nach Christus. Sie ist aus einem Stück geschnitten und könnte am Hofe Konstatins (306-337) entstanden sein. Sie gelangte nach der Eroberung Konstantinopels in den Westen und ist 1564 erstmals urkundlich im Hause Habsburg erwähnt. Für mich ist nicht nur ihr Alter und ihre Schönheit so beeindruckend, sondern dass man bei besonderer Beleuchtung in den feinen Zeichnungen des Achats die Buchstaben XRISTO lesen kann. (Es existieren Lesarten, die noch mehr Buchstaben finden.) Dass man seit Jahrhunderten diese Schale so verehrt, weil man an ein Wunder der Natur glaubt, die Schale das Gefäß des letzten Abendmahls sei, damit Der Heilige Gral sein könne, hat mich sehr fasziniert. Man will das Wirken Gottes in den Naturdingen sehen, oder anders formuliert ist die Natur die Künstlerin. Solche feinen Dinge gehören in die Kunst- und Wunderkammern und sollen für immer dort bleiben.
Was ich aber von der aktuellen Ausstellung im Kunsthistorischen Museum Wien halten soll, weiß ich noch nicht. Wes Anderson und Juman Malouf sind die Kuratoren von Spitzmaus Mummy in a Coffin and other Treasures. Der Filmer und die Designerin haben aus den vier Millionen Objekten des Museums (inklusive Schloss Ambras und anderen Museen) über 400 Stücke ausgewählt und aufwändig präsentiert. Nach Farben, Formen und anderen äußerlichen Kriterien geordnet. Ob die kostbaren und seltenen Dinge jetzt in dieser Präsentation zu einem Setzkastensammelsurium verkommen, müsste ich vor Ort überprüfen. Alle Kunstwerke sind ohne Legenden ausgestellt (es gibt allerdings ein Beiheft und einen Katalog). Zur Ausstellung schrieb Dietmar Dath recht kritisch in der FAZ vom 30. Januar 2019.
Was mich ein wenig stört, ist die Anwesenheit von Mode und Design, die sich zu den Kunstkammerstücken gesellen, wenn man zum Beispiel auf der Website des Museums auch sieht, wie die Kuratoren sich in ihren schönen Kleidern neben den noch schöneren Kleidern der prominenten Vernissagengäste fotografieren lassen. Nun – man hat sich in vergangenen Jahrhunderten auch in Samt und Seide vor den eigenen kostbaren Sammlungen porträtieren lassen. Eine Fahrt nach Wien steht schon lange aus.

Detail einer polierten Achatscheibe (Ozeanjaspis), Fundort Madagaskar, aus der Sammlung von RW, das Stück im Ganzen auf ruth23weber.de unter der Kategorie Stein.