Averno


Vor zwanzig Jahren fotografierte ich den Lago d’Averno, der nicht unweit der vulkanisch hoch aktiven phlegräischen Felder liegt. Über den See, den Vogellosen, heißt es, dort stiegen gefährliche Gase auf, die die Vögel vergiften könnten. Auch sei er den Römern das Tor zur Unterwelt gewesen. In Solfatara fotografierte ich die brodelnde, rauchende Erde voll ausblühendem Schwefel und den giftigen Fumarolen. Bei der Grotte der Cumaeischen Sibylle fotografierte ich die über hundert Meter tief in den Berg gehauenen Gänge.
Der Name des Sees in der Bucht von Neapel fiel im Zusammenhang mit der Vergabe des Nobelpreises für Literatur an die Lyrikerin Louise Glück. In ihrem Gedichtband Averno finde ich:

THE NIGHT MIGRATIONS

This is the moment when you see again
the red berries of the mountain ash
and in the dark sky
the birds’ night migrations.

It grieves me to think
the dead won’t see them—
these things we depend on,
they disappear.

What will the soul do for solace then?
I tell myself maybe it won’t need
these pleasures anymore;
maybe just not being is simply enough,
hard as that is to imagine.

Zur Zeit ist die von Ulrike Draesner ins Deutsche übersetzte Ausgabe vergriffen.

Lago d’Averno, Fotografie RW, Oktober 2020