1923

Heute am 23. Februar 2022 ordnete ich in vielen Kästen untergebrachte Fotografien, Briefe und Dokumente. Zwischen alten verblassten Bildern fand ich die Zahl 23, ausgeschnitten aus einem Werbeprospekt eines Fotoladens der 1980er Jahre. Der Schnipsel war hässlich in Rot und Hellblau gedruckt auf billigem Papier. Damit gab ich mich als 23er Fundstück nicht zufrieden. Im Nachlass der Tante gab es etwas Besseres, den Ausweis von Jean Houben, ausgestellt am 22. 8. 1923. So unruhig war die Zeit in Düsseldorf. Die Stadt und auch das gesamte Ruhrgebiet waren wegen der verspäteten Reparationszahlungen besetzt von Belgiern und Franzosen. Jeden Tag gab es Kämpfe und Ausschreitungen auf den Straßen. Verwaltungsbeamte, auch Polizeibeamte wurden verhaftet. Behörden, Firmen besetzt. Geld in Millardenhöhe beschlagnahmt, die dramatische Geldentwertung hatte begonnen. Schlageter wurde zum Tode verurteilt.
Ich kann das Geburtsdatum lesen, Jean Houben ist 1869 geboren, aber seine Staatsangehörigkeit kann ich nicht entziffern. Aber ich weiß aus einem anderen polizeilichen Ausweis, dass er Belgier war. Hier nennt er sich nicht Jean, sondern Johann. Sein Beruf gibt er mit Kutscher an, später ist er Besitzer einer Spedition und der Familie gehört das Haus an der Pfalzstrasse. Eine seiner Töchter bekommt 1927 einen Sohn, der wiederum 1954 meine Tante heiratet. Den ersten Kinderschuh des Onkels versah ich im Jahre 2020 mit einer dicken Bergkristallnadel aus Brasilien, wie ein Beinchen im Schuh stehend.
In einer ganz anderen Familie, aber auch in Düsseldorf, wird 1923 mein Vater geboren.

Ausweis von Jean Houben aus dem Jahre 1923, Fotografie RW 23. 2. 22

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