Versuch, Fäden zu spinnen

Ich baue mir eine Insel. Dazu nehme ich eine Apophyllitstufe, himmel- oder wasserblau. Die großen Kristalle, aus Poona in Indien, sitzen als dipyramedale Zwillinge auf dem krustigen Untergrund und wenn man konzentriert schaut, dann sieht man vorne links noch ein kleineres Kriställchen genau in gleicher Art wachsen. Die Insel ist ansonsten mit nur geringen Erhebungen versehen und läuft am östlichen Ende etwas spitz aus. Ich bepflanze die Insel mit zwei Bäumen, einer mit ausladendem Blätterdach wie eine Pinie, der andere mit hohem schmalen Wuchs. Wenn ich über die Insel hinweg aus dem Fenster schaue, sehe ich den großen Rhein vorbeifließen und kann alle Schiffsnamen wieder lesen, da die Platanen, seit ein paar Tagen beschnitten, als kahle Gerippe den Fluss nicht mehr verbergen. Die Schiffe JOHANNA, SAILING HOME, ALDABRA, CALLISTO und MATRIX spinnen Fäden von der weiten Welt zur Insel, erzählen ihr Flussaufwärtsgeschichten von den Bergen und dann Flussabwärtsgeschichten von den Meeren. Der Apophyllit gibt sein Bestes, es heißt, er verleihe Zuversicht in neuen schwierigen Lebenssituationen, gäbe innere Ruhe und Gelassenheit. Dies alles kann ein Mineral nicht leisten, für mich genügt er als Bildgeber. Das macht mich glücklich.

Apophyllit, Poona Indien, Sammlung RW, versehen mit zwei verholzten Samenständen vom Rheinufer Düsseldorf, Fotografie RW, 2021