Unwahrscheinlich

Der indische Prinz ist zu einer Hochzeit nach Mumbai eingeladen. Es heiraten die Sprößlinge international vernetzter Unternehmerfamilien, deren Reichtum unvorstellbar ist. Ein ganzes Stadtviertel wird abgesperrt, man feiert mindestens 10 Tage lang nach indischem Ritus im eigenen Stadtpalast, der aus mehreren Gebäuden besteht, abgeschirmt durch Sicherheitsbeamte, Zäune und Mauern, die an die nahegelegen Elendsviertel grenzen. Blütenmeere, Kristalllüster, Pfauenwagen, hunderte von reich geschmückten Gästen, angesehene Familien, Influencer, Sportler, Schauspieler, Sänger und Sängerinnen. Der Prinz weiß nicht, wo er die Augen lassen soll. Der dickliche Milliardärsbräutigam reitet an einem Tag auf einem weißem Pferd in die Hallen, an einem anderen werden ihm zwei zarte, mit farbigen Bändern behangene, weiße Kälber vorgeführt. Das Brautpaar wird mit Öl gesalbt, mit Henna bezeichnet, mit Blüten beworfen. Es werden Haarknoten geflochten und die Gesichter mit roten Punkten versehen. Der Bräutigam trägt Ketten mit zentimetergroßen Perlen und Smaragden. Die Braut einen Kragen aus Diamanten, von Stirn und Nase hängen weitere glitzernde Steine. Die Roben des Brautpaars wechseln mehrfach an Tag und Abend. Für alle anwesenden Gäste wird ein Laufsteg vor rosa Seidentapeten in Laubengängen aufgebaut, hier posieren sie für die Kameras und führen ihre Kleider vor. Der indische Prinz hält sich aus dem Blitzgewitter heraus, läßt sich aber doch überreden, auf den Laufsteg zu gehen. Er trägt sein Lieblingsgewand in blassgrüner Seide, der knielange Sherwani aus einem Seidenbouclé mit Brillantknöpfen, die Dhoti Pluderhosen aus knisterndem Seidentaft. Dazu hat er die vierteilige Brosche aus dem Nachlass seiner Urgroßeltern angelegt. Sie stellt eine große Rosenblüte dar, darum drei Libellen im Flug, alles mit Rubinen, Smaragden und Brillanten ausgeführt. Der Prinz weiß, dass die Familie des Gastgebers 50 armen Brautleuten eine kostenlose Hochzeit geschenkt hat. Sind damit die 10 Milliarden, die für die Hochzeit veranschlagt worden sind, ausgeglichen? Allein schon die Gagen für die prominenten Showstars, munkelt man, hätten pro Auftritt bis zu 10 Millonen Dollars gekostet.
So unwirklich alles wie unbegreiflich dies  – und es ist kein Märchen – in meinem Kopf herumbraust, während ich hier schreibe.

Porzellanvase mit bemaltem Keramikkopf und Glasaugen, 1995/2024, Fotografie RW 15. Juli 2024, Sammlung RW