Karwoche

Im Vorgarten eines unbewohnten, großen Hauses am Rhein entdeckte die steinalte Sophia mannshohe Buchsbaumbüsche. Der Zünsler war auch hier zu Gange und manches Blättchen hatte sich blassbraun verfärbt und weiße Spinnereien verklebten die Ästchen. Sophia suchte sich ein paar noch gesunde, sehr kleine Zweige heraus und riss sie ab. Dann ging sie zur nahen Kirche. Durch den Seiteneingang betrat sie das Gebäude. Hier war das Weihwasserbecken leer. Sie bekreuzigte sich und ging unter die Orgelempore. Von weitem schon sah sie, dass das große Weihwasserbecken gefüllt war. Sie tauchte die Fingerspitzen hinein und bekreuzigte sich zum zweiten Mal. Dann nahm sie die Buchsbaumzweige und ließ sie ganz ins Wasser hinab. Danach schwenkte sie die Zweige in einem dritten Kreuzzeichen über dem Becken – jedes geweihte Tröpfchen fiel zurück. In der Bank vor dem heiligen Antonius blieb sie noch eine Weile sitzen und freute sich, dass er ihr geholfen hatte, die Buchsbaumbüsche zu finden. Am Palmsonntag war sie nicht in der Kirche gewesen. Auf dem Heimweg am Rhein entlang entdeckte sie die blutroten Knospen der Zierquitte, zwischen den Blüten waren lange spitze Dornen.

Japanische Zierquitte am Rhein, Buchsbaumzweige und Weihwasserbecken in St Antonius, Düsseldorf-Oberkassel, Fotografie RW, Karwoche 2024