Irrlichtern


Nach dem sonntäglichen Spargelessen in einem Liedberger Gasthof gingen wir hoch zur Burg. Das Liedberger Schloss, dessen Ursprünge ins 13. Jh. zurückgehen, die Grundmauern sogar bis ins 11. Jh., ist inzwischen restauriert und wird von der Besitzerfamilie bewohnt. Seine Lage ist einmalig, hoch auf einer großen Quarzitkuppe, dem Liedberg, liegt es über dem historischen Ortskern. In dem angrenzenden, bewaldeten Berg findet man Spuren von Steinabbau. Der Liedberger Sandstein wurde mindestens schon seit Römerzeiten abgetragen, auch große Teile des Schlosses sind aus diesem erbaut. Wir folgten dem kleinen Pfad links von der Burgmauer hinab, vielleicht der ehemalige Burgraben. Er führte uns zum tief am Berghang gelegenen Pfadfindergrab. Ein Steinkreuz sagt: Anno 22. Juni 1930 verunglückten im Felsenkeller die Pfadfinder Paul Schneiders, Albert Voigt, Heini Pöstges aus Düsseldorf. Ihre Geburtsdaten 1913, 1914 und 1916 sind auch aufgeführt. Die Jungens waren mit ihrer Gruppe unterwegs und weit in den Felsenkeller gekrochen. Dieser gehörte zu einem Höhlensystem, in dem bis ins späte 19. Jh. Quarzsand abgebaut wurde. Ein heftiger Steinsturz führte an dem Sommermorgen vor 93 Jahren zum tödlichen Unglück. Nach dem Bericht eines freiwilligen Feuerwehrmannes fand man zunächst nur die Leiche von Heini, sah unter den Felsen auch noch Knie und Hand eines zweiten Jungen, wahrscheinlich Albert. Paul, der älteste von den dreien, blieb unentdeckt. Lautes Rufen nach ihm – unbeantwortet. Nur den Körper des Jüngsten, den Heini, konnten die Helfer aus der Höhle heraustransportieren. Die Gefahr eines weiteren Felssturzes war zu groß. Die Gesteinsbrocken hingen lose über den Köpfen der grabenden Helfer. Die Höhle wurde kurz darauf mit Erdmassen und Beton verschlossen. Heini wurde in Düsseldorf auf dem Südfriedhof begraben.
In einem Märchen wäre der arme Paul noch lange in den Höhlen herumgeirrt, bis er ein schwaches Leuchten gesehen, das vor ihm her tanzend den Weg nach draußen gezeigt hätte – hinauf ins Licht durch den Brunnenschacht des im Dorf gelegenen Sandbauernhofs. Durch diesen wurde, nach dem Verbot des unterirdischen Sandabbaus von den Felsenkellern aus, illegal noch weiter Quarzsand nach oben gefördert.
Vom Schloss aus soll es einen geheimen Eingang zu den unterirdischen Höhlen geben – der dem Schloss vorgelagerte alte Wehrturm, später als Mühle umfunktioniert, ist jedenfalls heute in seiner Standsicherheit gefährdet, vielleicht auch die gesamte Schlossanlage. Dort wurden bei der Restaurierung acht eingemauerte Schuhe aus dem 18. bis 19. Jh. gefunden. Wenn als Abwehrzauber gemeint, hat dieser nicht geholfen. Zu allem Irrsinn ergibt die Quersumme des Unglücksdatums 2261930 die Zahl 23.

Schloss Liedberg, Liedberg Korschenbroich, Fotografie RW, Weißer Sonntag 2023
http://www.limburg-bernd.de/Neuss/DenkKor/rheinische-post-Liedberg.pdf
https://www.scheuburg.de/service/pfadfinder-wissen/das-pfadfindergrab-in-liedberg/feuerwehr/