Der kosmische Baum

Der Baum trägt seltsame Früchte. Vier Flächen – Kreis, Dreieck, Sechseck und Viereck. Er ist auf gebrannte und glasierte Fliesen in Kobaltblau gemalt – in der Technik der Azulejos, wie man sie aus Portugal und Spanien kennt. Der wie schwebende Baum ist in Licht und Schatten illusionistisch ausgearbeitet, trägt keine Blätter, aber die Wurzeln sind sichtbar. Die Reihenfolge der Flächler in der Krone ist nicht logisch aufgefasst. Keineck, Dreieck, Sechseck, Viereck. Wobei sich alle Flächen allerdings in der Kreisfläche wiederfinden könnten und das Sechseck Dreieck und Quadrat enthält.
Ich denke natürlich an die Platonischen Körper –  Tetraeder, Hexaeder, Oktaeder, Dodekaeder, Ikosaeder – deren Seitenflächen die Früchte im Baum beschreiben. Vier Elemente werden vier Körpern zugeordnet. Der Würfel, Seitenfläche Quadrat mit sechs Flächen, steht für Erde; der Tetraeder, viermal die Seitenfläche Dreieck, für Feuer; der Oktaeder, achtmal die Seitenfläche Dreieck, für Luft; der Ikosaeder, zwanzigmal die Fläche Dreieck für Wasser; der Dodekaeder, zwölfmal die Seitenfläche Fünfeck, für den Äther. Wobei im Baum kein Fünfeck, sondern ein verschobenes Sechseck zu sehen ist. Das Hexagon hat in Natur, Kunst und Zahlenmystik eine besondere Bedeutung. Dringend muss ich den Künstler befragen, was es mit diesen Früchten auf sich hat. Für mich ist es ein kosmischer Baum.

 Detail einer Installation von Christoph Knecht, der in seiner Arbeit «Europa» ganze Wandflächen mit handbemalten Keramikfliesen bedeckt, die seltsam geheimnisvolle, aber auch banal alltägliche Bildzeichen und Symbole zeigen.
http://christoph-knecht.de, Fotografie im «Neuen Kunstraum» Düsseldorf aufgenommen, Ruth Weber 2019
(siehe auch meine Blog-Beiträge vom 11. Mai 2019 und vom 8. November 2018)