Der kleinste Kalender der Welt

 

 

 

 

 

 

In der Schreibtischschublade meines Vaters fand ich den kleinsten Taschenkalender der Welt. Sein lederner Umschlag riecht wunderbar. Er hat die Größe einer doppelten Briefmarke.
Mein Vater hat darin mit gut gespitzten Stiften und seiner feinen Handschrift die wichtigen Dinge des Jahres aufgeschrieben, beruflich und auch sehr privat, wie etwa meine Geburt, die auf den Geburtstag seines Großvaters mütterlicherseits fällt: August F.
Ich habe ein Kommunionbild von August F. in den Fotokisten meines Vaters gefunden. Sehr ernst sieht man das Kind August F. im dunklen Anzug stehend an einem hohen Tischchen. Es trägt lederne Handschuhe und in seiner linken Hand hält es das Gebetbuch. Es steht auf einem weißen Tierfell und hinter ihm öffnet sich über eine gemalte Steinbrüstung hinweg ein Park. Dies ist alles nur Kulisse. Am Revers trägt es zur Feier des Tages weiße Blumen.
Wie gern haben wir, mein Vater und ich, immer wieder alte Fotos angeschaut und er hat dazu erzählt. Auf manchen alten Fotos hatte ich schon vor längerer Zeit nach seinen Angaben Notizen gemacht, wenn kein Vermerk der Verwandtschaft hinter den Fotos zu finden war, wer wohl abgebildet sein mag.
Der kleine Taschenkalender ist von meinem Vater wohl in dem Jahr, welches in goldenen Buchstaben vorne aufgedruckt ist, sicher in der Innentasche seines  Jackets direkt an der Brust getragen worden. Das Leder ist wunderbar weich. Der Kalender war ein Werbegeschenk der Firma Leistenschneider, die es noch heute in Düsseldorf gibt.