Der Chinese auf Platz 24 hört Beethoven

Heute hat mich ein Foto sehr beeindruckt: Ein junger Chinese sitzt mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen in einem Konzertsaal. Sein Platz trägt die Nummer 24. Seine Hände sind aufrecht gefaltet, die Spitzen der Finger enden unter der Nase. Obwohl er sich nach vorne beugt, seine Ellbogen auf den Knien abstützt, wirkt er aufrecht, konzentriert gespannt, in geraden Linien. Seine Finger verlängern die Senkrechte der Nase, unter den gefalteten Händen zeigen die hellen Knöpfe seines dunklen Hemdes eine weitere Senkrechte. Die jeweils zwei Knöpfe an den Ärmelabschlüssen rechts und links bilden zusammen mit den aufrecht gefalteten Händen den Abschluss eines umgekehrten Ypsilons. Die Lidränder der geschlossenen Augen heben sich zur Nase leicht an, so dass sein Blick tatsächlich nach innen zu gehen scheint.

Ich sehe chinesische Schriftzeichen in der Symmetrie seiner Erscheinung.
乐 Glück 音 Klang 
水 Wasser 木 Holz 土 Erde 金 Metall 火 Feuer
Das Wort für Musik ist aus den Zeichen Glück und Klang zusammengesetzt. Die fünf chinesischen Elemente tauchen im System der chinesischen Fünftonmusik auf. Auch fünf Himmelsrichtungen, Planeten, Jahreszeiten und Temperamente werden in diesem System bedacht.
Der junge Chinese hört allerdings Beethoven, gespielt von europäischen Musikern, ein wunderbares Bild.

Der Fotograf Andreas Herzau begleitete die Bamberger Symphoniker 2019 auf ihrer letzten Tournee durch China. Sein Foto des Musik hörenden Chinesen ist auf dem Cover des BAMBERG DIARY #2 (Nimbus Verlag, 2021) zu sehen. Herausgeber ist Holger Noltze.
Rezension zu diesem Buch von Jan Brachmann heute in der FAZ. https://www.nimbusbooks.ch/sites/default/files/faz_5.7.21_bamberg_diary_china.pdf
Meteorit aus Sibirien auf Feuersteinknolle von der Ostsee, Fotografie RW, Sammlung RW, 2021