Blumenteppiche gibt es kaum noch

In der Nacht zu Fronleichnam dachte ich an die Kindheit im dörflich geprägten Duisburger Süden. Ganz selbstverständlich ging man Sonntags zur Messe in die Kirche. Im Sommer gab es die Feiertage mit Prozession und Altären unter freiem Himmel. Wir Kinder gingen mit der Fronleichnams-Prozession in unseren weißen Kommunionkleidern. Die Familien hatten vor den Fenstern ihrer Häuser Blumenteppiche ausgelegt, ganze Wege geschmückt, am prächtigsten vor den Altären. Ich staunte als Kind über die Üppigkeit und Verschwendung der zahllosen Blütenblätter, in dichten Farbfeldern ausgelegt. Das Lamm Gottes, der Kelch, das Kreuz und zahlreiche Ornamente in Rot, Grün, Weiß, Violett und Gelb. Die Blumenteppiche wurden bis zum Zeitpunkt der Prozession mit Wasser besprengt. Dieser Duft von Blüten und staubig feuchtem Asphalt und dazu die warme Juniluft hat sich eingeprägt in mein Archiv – und gleichzeitig war da ein leichtes Schummrigwerden, da wir mit nüchternem Magen zu Messe und Prozession gingen. Vor den mit Fahnen geschmückten Haustüren standen die Leute oder lehnten sich aus den Fenstern und bekreuzigten sich, wenn der Pastor unter dem Brokat-Baldachin mit dem Allerheiligsten vorbeikam. Aus den schwingenden Fässern der Messdiener quoll der Weihrauch und mischte sich mit den Blumengerüchen.
Nachher – über die lange Landstraße zu Hause angekommen – waren wir ordentlich hungrig. Die Mutter hatte schon ein festliches Mittagessen bereitet. Vielleicht gab es Schwalbennester. Das waren in Kalbfleisch eingebackene Eier. Das Sonntagsgeschirr, feines Porzellan mit blaugraugoldenem Rand wurde gedeckt und alles hat so gut geschmeckt.

Kleine mineralische Andacht, Kombination mit Amethystdruse, Malachit, Messing und Koralle, Sammlung RW, Fronleichnam 8. Juni 2023