Doch ein Rembrandt

1996 hatte die steinalte Sophia einem Freund einen Brief geschrieben, sichtlich beeindruckt von einer kleinen Landschaft in der Berliner Gemäldegalerie …blaßgrünlichblauer Himmel am linken offenen Horizont, rechts die schweren, olivdunklen Wolken des Gewitters, jäh Gespenstisches in der grellen Beleuchtung der Bäume und in den Schattenzonen Ruhigvertrautes, ein seltsames Licht in den pastosen Kräuseln der Baumgruppe, wie schwefelfarbenes Kohlgestrüpp.
Habe sofort mit meinem Bruder in Dresden telefoniert, der mich darauf hinwies, daß in Amsterdam Rembrandts Steinerne Brücke hinge, die das im Aufbau ähnliche Berliner Bild noch überträfe. Bis jetzt hab ich nur eine Katalogabbildung gesehen, und ich muß meinem Bruder zustimmen: angesichts des Drehens und Wirbelns in den Wolken, das sich gestaltähnlich in der beleuchteten Baumgruppe wiederholt und konzentrisch verdichtet, hab ich mich unbändig gefreut… Vor ein paar Tagen las Sophia in der Zeitung, dass die Landschaft nach neuesten Forschungen nun doch wieder Rembrandt zugeordnet würde, nicht mehr Govert Flinck, wie es noch das Rembrandt Research Project 1989 getan hatte. Es sei eine spätere Nachschöpfung von Flinck. 1924 hatte Wilhelm von Bode das Bild für die Sammlung als einen Rembrandt erworben. Heute nun glaubt man zu wissen, dass das Berliner Bild ein früherer Vorläufer des genialen Bildes im Rijksmuseum ist. Die steinalte Sophia nahm sich vor, unbedingt ihren Bruder, jetzt in Amsterdam und Leiden, anzurufen, um seine Meinung zu diesen neuesten Forschungen zu hören.

Rembrandt Harmensz. van Rijn „Landschaft mit Bogenbrücke“, um 1638, Holz, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt