Der indische Prinz erzählt die Geschichte des prächtigen Cocktailringes. Seine ungewöhnlichen Proportionen haben ihn fasziniert. Eine breite Fratze schaut ihn an. Ausladend gehen zwei hohe mit Saphiren bestückte Augenpartien zur Seite. Die Nase ist mit einem Rücken aus Diamanten bestückt. Der merkwürdig tief liegende Mund unten und der entsprechende Haarreif oben sind mit Rubinen ausgefasst. Den Ring hat er unter dem Namen Magnifique bague cocktail in einem Lütticher Auktionshaus ersteigert. Er ordnet ihn in die 40er, 50er Jahre des 20. Jahrhunderts ein. Bei der Übergabe ist der Ring sehr, sehr schmutzig – in allen Ritzen und Spalten kleben Spuren der Vergangenheit, die Diamanten sind grau geworden, auf den Rubinen haftet grünlicher Belag. Er fragt nach, aus welchen Zusammenhängen der Ring komme. Man sagt, er sei aus dem Nachlass einer Schriftstellerin aus großbürgerlichem Haus, geboren in Brüssel und in den USA verstorben. Sie sei in den späten 40ern nach Amerika ausgewandert und habe ihr Domizil an eine Angestellte vermietet, mit der Auflage, alles an seinem Platz zu lassen. Die Schriftstellerin, die sich in der Historie Europas auskannte, altgriechisch und italienisch sprach und schon als Jugendliche mit Werken von Joris-Karl Huysmans, Gabriele D’Annunzio, Leo Tolstoi, Platon und Vergil auseinandersetzte, war eine der ersten Frauen, die in die Académie française aufgenommen wurde. Roger Caillois, den der indische Prinz sehr veehrt, war ein Verehrer ihrer Werke und Jean d’Ormesson hat sich für ihre Aufnahme in Paris stark gemacht.
Nach dem Tod der Schriftstellerin wurde der Ring in ihrem ehemaligen Haus in Brüssel, in der untersten Schublade der Anrichte im Esszimmer gefunden. Eingewickelt und verknotet in ein altes Taschentuch der 50er Jahre, bedruckt mit einer hellblauen Katze und einem rosa Fisch. Zu Hause hat der indische Prinz den Ring unter der Lupe betrachtet und leicht angewidert gleich zweimal im Ultraschallbad gereinigt, dabei sehr aufgepasst, dass sich keine weiteren Diamanten verlieren. Laut Auktionshaus fehlen drei, aber beim Nachzählen fehlen nun sieben kleine Diamanten. Der im Übrigen üppige Diamantbesatz fällt auf wegen seiner sehr unterschiedlichen Steine mit diversen Facettenschliffen. Ungewöhnlich zusammengestellt, als hätte der Goldschmied den Auftrag gehabt, alte Steine aus historischen Zusammenhängen für den Ring zu verwenden. Das Rot-Weiß-Blau der Ringsteine erinnert an den drapeau bleu-blanc-rouge, die Tricolore, dargestellt durch die drei traditionellen Edelsteine Saphir, Diamant und Rubin. War der Ring ein Erinnerungsstück für eine französische Liebschaft, die unglücklich endete?