Augensicht

In der Nacht vor Silvester machte sich die steinalte Sophia Gedanken über das Sehen. Ich schaue direkt aus meinem Körper heraus – unbeschreibbar diese Erkenntnis. Um mich herum ist Hülle, ich schaue aus etwas Begrenztem. Rechts, links, oben und unten sind unsichtbare, aber gefühlt dunkle Bereiche, überhaupt ist es das Dunkle, was mich umgibt.
Da erinnerte sie sich an eine sehr eindrucksvolle Ansicht. Sie sah von der Wasseroberfläche aus tief hinunter durch klare Zonen bis hin zum blauhellen Meeresgrund, wo eine Gruppe Taucher in ihren dunklen Anzügen, ganz deutlich zu erkennen, aber unendlich klein, beieinander standen, als wär’s auf einem Marktplatz. Sie flog an der Oberfläche gleichsam über diese Szene hinweg.
Ein anderes Bild folgte dem Flug. In einer blaudunklen Grotte am Meer war sie untergetaucht und in ein paar Metern Tiefe, einem Licht folgend, durch einen Unterwasserzugang in eine nächste Höhle gelangt.

Baumwurzel mit Augenachat, Indien, auf Achatscheibe, Steinbruch Juchem, Sockelkombination und Fotografie RW 2020
Erinnerungen an Tauchgänge auf Sardinien und Kuba, 80er Jahre